Being Jack Nicholson
Von Nikolaj Nikitin
Schon der Titel suggeriert es: Hier erfahren wir etwas über einen Menschen namens Schmidt. Wir dringen tief in einen Charakter ein und bekommen Einsicht in sein Seelenleben. Wir versuchen zu verstehen, wieso dieser Herr S. was und wie tut. Dafür ist Kino manchmal auch da. Um in die Psyche anderen Menschen einzutauchen, um uns andere Welten zu öffnen. So eindrucksvoll wie bei
Being John Malkovich gelingt es freilich selten, doch die besten Filme handeln von der Innenwelt ihrer Protagonisten und breiten einen uns unbekannten Lebensentwurf aus. In Hollywoodfilmen sind es meistens die Stars, die Starlets oder bekannte Persönlichkeiten, Agenten, Helden oder Sexsymbole, von denen wir mehr erfahren – bzw. von ihrer Filmfigur. Was den Autoren des vorliegenden Films löblich anzukreiden ist, ist die Tatsache, daß sie einen ausgesprochen durchschnittlichen, gar zu normalen Vertreter unserer Gesellschaft in den Vordergrund stellen.
Schmidt war lange Zeit in der Versicherungsbranche tätig, hat keine richtigen Freunde und keine Hobbies. Als er aus Altersgründen freigesetzt wird, und kurz darauf seine Frau stirbt, bleibt ihm als letzter Hoffnungsschimmer nur die Flucht in die Arme seiner Tochter. Doch diese ist mitten in den Hochzeitsvorbereitungen und kann den Herrn Papa nicht unbedingt länger als nötig vor Ort gebrauchen. Unnötig zu erwähnen, daß der Vater der Braut nicht gerade mit der Wahl seiner Tochter einverstanden ist. Also reist er erst mal durch Amerika – an die Wurzel seiner Jugend und die Plätze seiner Kindheit.
Leider hört sich das alles genauso an wie der Film im Endeffekt auch ist: gepflegt langweilig. Denn Schmidt ist ein öder Typ, sein Leben ist öde, und alles was mit ihm passiert ist eigentlich nicht weiter erwähnenswert – und es hat so rein gar nichts mit den improvisierten Charakterstudien eines John Cassavetes oder gar den hintergründigen Beobachtungen europäischer Milieustudien zu tun. Auch die innere Wandlung ist kaum interessant, da Schmidt von vornherein ein uninteressanter, recht eindimensionaler Charakter ist. Die Tatsache, daß Schmidt von Jack Nicholson verkörpert wird, hilft da auch nicht viel. Denn wie kaum ein anderer US-Schauspieler funktioniert er nur in der Rolle eines Wahnsinnigen, mißmutigen Ekels oder generell eines extrem lebenden und agierenden Menschen. Als in die Jahre gekommener Versicherungsvertreter à la Willy Loman hat er kaum die Tragik eines Dustin Hoffman oder eines Jack Lemmon.
Die Tatsache, daß hinter dem Film mit Alexander Payne der brillante Kopf von
Election – einer zutiefst spitzfindigen Komödie – steckt, ist dann schon eher enttäuschend. Aber Hollywood mußte halt auch mal entdecken, daß mit langatmigen Filmen über »Normalos« Geld zu verdienen und Preise einzuheimsen sind.
1970-01-01 01:00