Blumen und das richtige Leben
Von Holger Liepelt
Wie viele Autoren saßen schon blockiert vor ihrem Schreibgerät und kamen auf die Idee, aus ihrem Martyrium die Geschichte zu formen? Ihrer dürften Legion sein. Ein Autor lacht kurz und geht zur Tagesordnung über. Charlie Kaufman hatte die Chuzpe und die Möglichkeit, er hat sich selbst zum Helden eines Films gemacht. Sein Film-Ich läßt er vorsichtshalber mitteilen, daß dies sehr narzißtisch und selbstsüchtig sei, dafür ist
Adaption, wie schon
Being John Malkovich, ein kleines Wunder an Originalität. Gegenüber den bizarren Begebenheiten um Malkovichs Kopf ist
Adaption aber geradezu bodenständig.
Weil der Reiz von
Adaption in ständigen Selbstreferenzen und Handlungskurzschlüssen liegt, kann man sich dem Film mit einer Inhaltsbeschreibung nicht angemessen nähern. Immerzu wird vorgegriffen, Rückschau gehalten, eingeschoben: Ein szenischer Blitzabriß der Evolution beantwortet die ewige Frage »Wo komme ich her?«, später wird Kaufman dies als Beginn für sein zu schreibendes Drehbuch in Betracht ziehen. Neben solchen Spielereien bestimmt ein kunstvoll zusammengefügtes Chaos von Zeit- und Handlungsebenen den Film und läßt ihn gänzlich autistisch werden, unmöglich, von außen einzudringen.
Der Film-Kaufman ist ein intellektueller Nerd: unattraktiv, dicklich, unsportlich, phlegmatisch. Unzufrieden mit sich, aber unfähig etwas zu ändern. Halt gibt er sich durch sein aufgebautes Selbstbild als Kreuzritter gegen die heidnischen Unterhaltungsfilmer. So soll seine aktuelle Arbeit, die titelgebende Adaption eines Romans namens »The Orchid Thief«, dem Original in Ton und Geist gerecht werden, um das Besondere zu bewahren. Keine Helden. Keine Liebesgeschichte. Keine Gewalt. Keine Charakterentwicklungen. Nur Blumen und das richtige Leben. Das will Kaufman seiner Produzentin klarmachen und redet dabei viel zu schnell, schwitzt furchtbar, weil sie so hübsch ist und macht sich Gedanken, doch mehr zu joggen, damit er nicht mehr seinen dicken Hintern unter großen Hemden verstecken muß.
Was Kaufman seiner Produzentin erzählt, gilt für die ersten zwei Drittel von
Adaption. Es gibt keine Handlung im Sinne einer fortschreitenden Geschichte, man sieht Kaufman dabei zu, wie er zu arbeiten versucht. Der Film kreist wie er um immer neue Rechtfertigungen, warum er nicht schreibt, wie ein Pennäler, der sich um seine Hausaufgaben drückt. Weil aber Inszenierung und Montage so gewitzt sind, ist das von überwältigendem Charme und Komik.
Auf einem Wochenendseminar für richtiges Drehbuchschreiben lernt Kaufman dann, was Drehbücher brauchen: Helden, Geschichten, Entwicklungen und ein gutes Ende.
Adaption hat solch ein Ende, in dem alle Handlungsstränge zusammenlaufen und alle ein wenig klüger werden. Ein echtes Hollywoodende, meisterlich aufgebaut und recht fad.
Adaption bleibt aber ein Film von Spike Jonze und Charlie Kaufman, so daß »fad« relativ zu sehen ist.
Adaption braucht keinen handwerklich gut gebauten Schluß, um ernstgenommen zu werden. Jonze und Kaufman führen ganz bewußt am eigenen Film vor, daß eben die Ausnahme von der Regel am meisten Spaß macht.
1970-01-01 01:00