Der größte Feind von Kunst ist der gute Geschmack
Von Natalie Lettenewitsch
Die Karriere von Peter Jackson ist eine der wundersamsten in einem an wundersamen Karrieren durchaus nicht armen Business. Komplett autodidaktisch und anfänglich ohne finanzielle Ausstattung hat sich der Neuseeländer zuerst zum König des Spaß-Splatters, dann über den breitenwirksameren Heavenly Creatures zum Regisseur des Großprojekts Lord of the Rings vorgearbeitet, das 2001 starten wird. Einstweilen erinnert Cineal an Jacksons Wurzeln und bringt den Erstling Bad Taste, auf Video längst vom Geheimtip zum Renner avanciert, nach 13 Jahren und vielen Querelen endlich auf die Leinwand. Dessen anarchischen Low-Budget-Charme hat Jackson in dieser Reinform selbst nicht mehr erreicht.
Ursprünglich nur als Kurzfilm geplant, entwickelte sich Bad Taste im Laufe von vier Jahren mit wenig bis gar keinem Geld, aber viel Enthusiasmus und der tatkräftigen Hilfe einiger Freunde zum Abendfüller. Jackson selbst übernahm Regie, Buch, Kamera, Ausstattung, Masken sowie Special effects und trat außerdem vor die Kamera, noch dazu in einer Doppelrolle: In dem abstrusen Katz-und-Maus-Spiel um eine Alien-Delegation, die die Menschheit zu verkaufsträchtigen Burgern für eine weltraumweite Fast-Food-Kette verarbeiten will, und eine vierköpfige Kampftruppe (die »Boys«), die sie mit Raketenwerfern, Kettensägen und Metal-Musik aufhalten soll, gibt er sowohl den etwas überengagierten Brillen-Rambo Derek (»I'm a Derek – and Dereks don't run!«), als auch einen seiner außerirdischen Widersacher, so liefert er stellenweise einen Zweikampf mit sich selbst, bei dem er einiges an Gehirnmasse einbüßt.
Trotz oder auch wegen der Laiendarsteller, billiger Effekte, mangelnder Ausleuchtung und nur begrenzt anhörbarer Tonspur gilt Bad Taste für so manchen seines Humors und seiner Originalität halber als heimlich bester Film der 80er Jahre. Zwischen Monty Python und Tobe Hooper, förmlich sprudelnd vor Gags und Regieeinfällen, zitiert er nicht nur Horrorklassiker (vor allem natürlich Texas Chainsaw Massacre), sondern parodiert auch fast wie im Vorbeigehen das Machoheldentum amerikanischer Invasions- und Söldner-Filme. Durchgehaltene Selbstironie macht die derben Gore-Effekte rund um rote, gelbe und grüne Körperflüssigkeiten dabei auch für Genre-abgeneigte verdaulich.
Für all jene, die an starkem neuseeländischem Akzent in Kombination mit miserabler Tonqualität entnervt scheitern würden, wurde nun auch eine professionelle Synchronisation organisiert, welche sich redlich bemüht, dem Wortwitz des Originals gerecht zu werden (während vormals schon obskure Bootlegs mit eingesprochenen deutschen Dialogen kursierten). Auf Video erscheint außerdem das Making Of »Good Taste Made Bad Taste«, das wenig mit den üblichen, nichtssagend- lobhudelnden PR-Konserven zu tun hat: Mit viel Witz werden Akteure vorgestellt, Jacksons liebenswürdige Eltern interviewt, Ausschnitte aus dem kreativen »Frühwerk« präsentiert und natürlich Einblicke in die handwerkliche Arbeit an Bad Taste geboten, spannender als noch so spektakuläre Hollywood-Perfektion: Improvisierte Kamerakräne und steady cam-Konstruktionen, allerlei Latex und Ketchup, selbstgebastelte Waffen, Pyroeffekte, die auch ein Schaf zur Explosion bringen, und Miniatur-Modelle des als Landhaus getarnten Alien-Raumschiffs, das schließlich seinen Kunstrasen einrollt und ins All abhebt – soviel Phantasie müßte über Geschmacksgrenzen hinweg eigentlich jeden dazu bringen, Bad Taste zu lieben.
1970-01-01 01:00