Helden in Übergröße
Von Carsten Happe
Manche Filme beeindrucken allein durch ihre schiere Größe, lassen einen staunen ob der grandiosen Pracht ihrer Bilder, der Opulenz ihrer Bauten und Massenszenen.
Gladiator möchte solch ein Film sein, bietet Schauwerte jedweder Couleur, angefangen von Schlachtszenen à la
Braveheart bis hin zur computergenerierten Skyline Roms.
Gladiator möchte auch das Nonplusultra seines Genres sein, die Quintessenz aus
Ben Hur,
Spartacus und
Quo Vadis.
Die simple Rachegeschichte aber, die das Gerüst des Films bildet, wird von der Last der Bilder erdrückt; zweieinhalb Stunden können auch im alten Rom lang werden, wenn man nichts zu erzählen hat.
»Zeit für Helden« lautet der Werbeslogan des Films, und es darf getrost offen bleiben, ob damit das alte Rom oder das beginnende 21. Jahrhundert gemeint ist, denn der von Russell Crowe verkörperte Held wider Willen, ein General der römischen Armee, unter dessen Federführung gerade ein wichtiger Sieg in Germanien errungen wurde, der aber – getreu dem amerikanischen Ideal – nur noch den Wunsch hat, zu seiner Familie zurückzukehren, ist ein Medienstar modernster Prägung. Nachdem ihm vom zukünftigen Imperator (Joaquin Phoenix als Peter-Ustinov-Imitator) übel mitgespielt wird, seine Familie ermordet und er in die Sklaverei und schließlich als Gladiator in die Arenen des Reichs getrieben wird, erkennt er die Macht des Volkes, ihre eigenen Helden zu kreieren und steigt dank dessen Gunst zum mächtigsten, gefeiertesten Mann des Reiches auf.
Für diese Exposition von
Gladiator benötigt Ridley Scott eine geschlagene Stunde. Dann erst findet der Film nach Rom, ins Colosseum und in des Imperators Palast, in dem Intrigen gesponnen werden, als sei Shakespeares »Julius Caesar« der Ursprung römischer Geschichte. Alles spitzt sich auf einen finalen Zweikampf zwischen dem Gladiator und dem Imperator zu; dieser Showdown der beiden Rivalen sowie die vorangegangenen Kämpfe erweisen sich dann auch als die packendsten Szenen des Films.
Ähnlich dem Wagenrennen in
Ben Hur findet auch
Gladiator erst innerhalb der Mauern des Colosseums zu wahrer Stärke; selbst der deutsche Minimaldarsteller Ralf Moeller macht hier eine akzeptable Figur, Herzstück des Films bleibt aber Russell Crowe, der nach seinem oscarnominierten Part in
The Insider zeigt, daß er auch das Zeug zu einem intelligenten Actionhelden hat.
Wie bei fast jedem seiner Filme bedient sich Ridley Scott auch bei
Gladiator einer glatten Werbeästhetik, die mitunter zwar stilvoll ausgeleuchtete Szenen hervorbringt, jedoch insbesondere in den Traumsequenzen eher unangenehm auffällt. Auch die computergenerierten Prachtbauten Roms und die äußerst pathetische Musik Hans Zimmers hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Allein die Auftritte von Crowe, Richard Harris und Oliver Reed, der kurz vor Ende der Dreharbeiten auf Malta verstarb, besitzen jene Größe, die der gesamte Film für sich beanspruchen möchte.
1970-01-01 01:00