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Heaven

D/USA 2001. R: Tom Tykwer. B: Krzysztof Kieslowski, Krzysztof Piesiewicz. K: Frank Griebe. S: Mathilde Bonnefoy. P: X-Filme Creative Pool. M: Arvo Pärt, Marius Ruhland. D: Cate Blanchett, Giovanni Ribisi, Remo Girone, Stefania Rocca, Allessandro Sperduti u.a.
95 Min. X-Verleih ab 21.2.02

Transzendale Symbolik

Von Andrea Keil Fünf Jahre nach dem Tod des polnischen Filmemachers Krzystof Kieslowski erweckt Erfolgsregisseur Tom Tykwer mit der Verfilmung des ersten Teils der unvollendet gebliebenen Trilogie Heaven, »Hell«, »Purgatory« den verstorbenen Kollegen zu neuem Leben.

Der ansonsten mit Vorliebe aus der eigenen Feder stammende Drehbücher realisierende Tykwer schätzt in Bezug auf die fremde Vorlage laut eigenen Angaben die Tatsache, daß sie »einen Aspekt meiner Themen komplettiert, auf den ich immer gewartet habe« (Zitat Presseheft). Und während seine bisherigen Filme zwischen der Macht des Schicksals und dem Zufall oszillierten, wird Heaven, wie der Name schon sagt, um einen Aspekt gehaltvoller: das Transzendente.

Wenn auch nur sehr implizit, so greift Tykwer in seinem neuen Film, durchaus die für Kieslowski typischen religiösen Momente auf und erweitert so die Sinnsuche seiner Protagonisten um eine weitere Dimension – auch wenn es letztendlich darauf hinausläuft, daß Philippa (Cate Blanchett) konstatiert: »Ich habe aufgehört zu glauben, daß es einen Sinn gibt«. Eine Testamentsvollstreckung war also das Letzte, was diese Mixtur aus Lovestory, Thriller und moralischem Drama um Schuld, Erlösung und die Kraft der Liebe im Sinn hatte, glänzte jedoch gerade Kieslowski mit seinem berühmten Dekalog, einer zehnteiligen Abhandlung, die die alttestamentarischen 10 Gebote im Kontext des gegenwärtigen Alltages thematisierte.

Kurz zum Plot: Die Englischlehrerin Philippa begeht ein Attentat, bei dem vier unschuldige Menschen ums Leben kommen. Das Ziel war jedoch ein anderes: Philippas Bombe sollte den für den Tod ihres Ehemanns und einiger ihrer Schüler verantwortlichen Drogendealer treffen. Die Polizei insistiert auf einem politischen Motiv. Nur der junge Polizist Filippo glaubt ihr. Aufgrund seiner Liebe zu der attraktiven Attentäterin riskiert er alles und ermöglicht ihr die Flucht. In diesem Fall ist es im Gegensatz zu Der Krieger und die Kaiserin die Aufgabe des Mannes, der Frau das Lieben wieder beizubringen…

Auf stilistische Extravaganzen wird in Heaven jedoch zugunsten narrativer Präzision und Klarheit weitgehend verzichtet. Schade, denn gerade Tykwer war es doch, der mit Lola rennt und den hypnotischen Bildern in Der Krieger und die Kaiserin zu einem neuen Verhältnis von Form und Inhalt gelangte, ohne langweilig zu werden. In Heaven hat der Inhalt über die Form gesiegt – was nicht bedeutet, daß Frank Griebe keine exzellente Kamera-Arbeit geleistet hat. Nach anfänglichen harten und schnellen, Gewälttätigkeit und Bewegung suggerierenden Schnitten wird die Geschichte im zweiten Teil von weichen und langsamen Überblendungen beherrscht, um die dramatischen Ereignisse zu Beginn mit der lyrischen Kraft der toskanischen Landschaft zu kontakarieren.

Fast schon könnte man mutmaßen, Tykwer sehne sich danach, zum Phlegma von Winterschläfer zurückzukehren. Statt einer ereignisreichen Verfolgungsjagd nach dem Ausbruch aus dem Gefängnis nehmen Filippo und Philippa – der Namensgleichklang steht für eine Art Wahlverwandschaft – die Geschehnisse nur noch durch eine beinahe verklärte Sichtweise wahr. Und so ist auch die letzte, symbolisch aufgeladene Einstellung nur noch konsequent, wenn die beiden Liebenden vom Boden der Realität mit dem Helikopter abheben und in den (siebten) Himmel entrücken. 1970-01-01 01:00
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