Ein Stück Filmgeschichte
Von Nikolaj Nikitin
Voltaires Candide sah bei seinen Reisen die humorvolle Seite des Schreckens. Faust stellte in der Tradition des Christentums fest, daß ein wahres Leiden in der Welt nicht vorhanden ist (im Gegensatz zu den Griechen). Lubitsch inszenierte den schlimmsten Schrecken als Komödie (
Sein oder Nichtsein).
Italiens Starkomiker Roberto Benigni nahm sich dieser Gedanken an und schuf die mit Abstand beklemmendste Darstellung des Schreckens und des Leids unter der NS-Diktatur. Nachdem Agniezka Hollands völlig vernachlässigter
Hitlerjunge Salomon einfühlsam den inneren Schrecken eines Juden in Deutschland in der NS-Zeit zeigte und Spielberg mit
Schindlers Liste einen perfekten Massenaufklärungsfilm schuf, bringt Benigni das Lachen in die Welt des unvorstellbaren Grauens. Unterstützt durch eine grandiose, nuancenreiche Kameraarbeit (Veteran und Virtuose Tonino Delli Colli), einer hyperrealistischen Ausstattung und brillanter Schauspielerführung, zeigt uns Regisseur und Koautor Benigni eine Stunde lang das schöne, märchenhafte Leben seines von ihm bravourös dargestellten Tagträumers.
Der Jude Guido kommt 1939 vom Lande in die große Stadt, um sein Glück zu finden. Auf dem Weg begegnet er der hinreißenden Dora (Benignis Ehefrau Nicoletta Braschi). Minutenlang vorbereitete Gags zünden, als wir Guido bei der Arbeit als Kellner in einem mondänen Hotel (einer Mischung aus Mann und Fellini) beobachten. Nach einer Bilderbuchentführung der bereits vergebenen Braut heiraten die beiden und bekommen einen Jungen, während die antisemitischen Stimmungen im Land wachsen. Plötzlich werden Guido und Giosuè abtransportiert, und aus Liebe folgt Dora den beiden. Guido reagiert blitzschnell und erzählt dem Jungen, es wäre alles nur ein Spiel, eine Art Trainingslager, in dem sie 1000 Punkte für harte Arbeit, Hungern und Verstecken sammeln müssen, um am Ende einen Panzer zu gewinnen.
Es ist atemberaubend, wie radikal Benigni die Szenen im Lager spielt, beim Anblick schlimmster Verbrechen wählt er den Humor als einzigen Ausweg. In den Wirren des Lagerlebens hält Guido diese Illusion lange aufrecht; selbst das schockierende, selbstsüchtige Auftreten eines ehemaligen Hotelgastes und jetzigen Lagerarztes Dr. Lessing (grandios: Horst Buchholz) nimmt ihm nicht den Mut, und der Tag der Befreiung naht.
Diese Verschleppung in eine kalte, herz- und vor allem humorlose Welt, dieser inhaltliche Bruch, der im Grunde nur die Lage, nicht die Stimmung der Personen betrifft und von dem viele Kritiker meinen, er wäre nicht gelungen, macht
Das Leben ist schön zu einem Stück Filmgeschichte.
1970-01-01 01:00