Ägyptischer Pop-Mythos
Von Sascha Seiler
Was passiert, wenn die dargestellte Realität eines Films von einer Gegenrealität unterlaufen wird, welche die Rolle des Zuschauers lediglich durch ihr Vorhandensein versucht, neu zu definieren? Wir alle kennen gewisse Codes, die ein Filmgenre im Laufe der Zeit zugunsten einer geheimen Kommunikation mit dem geschulten Zuschauer entwickelt hat und die seit den späten 80er Jahren gerne als Mittel der mehr oder weniger subtilen Ironie angewandt werden.
Der Genrefilm, vor allem im Action- und Adventuregenre, definiert sich durch jene Kommunikation mit seinem eingeweihten Publikum und entwickelt somit für die ihm zugerechneten Filme eine Lesart, die zwar nicht zwangsläufig sein muß, doch zum Verständnis des Dargestellten als Ganzes sicherlich wichtig ist.
Die mythologische Ebene bei der Fortsetzung von Die Mumie erschöpft sich somit nicht im Offensichtlichen, wie etwa der Thematisierung ägyptischer Bräuche, Aberglauben und deren Inkarnation, sondern unterminiert den dargestellten Plot durch seine Referenzen auf die Kinogeschichte und ihren zu festen Bestandteilen der Popkultur gewordenen Zeichen und Symbolen.
Die Szene, in der die Helden in ihrem Luftschiff über das Niltal gleiten, beinhaltet in kurzer Zeit gleich drei dieser Anspielungen: Das Schiff sieht aus wie das in Terry Gilliams Time Bandits, die Fahrt dem Mond entgegen ist nach der wohl berühmtesten Einstellung aus Spielbergs E.T. konzipiert und die Liebesszene an der Spitze des Schiffes hat man aus Camerons Titanic noch in frischer Erinnerung. Gerade die letzten beiden Anspielungen werden mit einer solch penetranten Eindeutigkeit auf den Zuschauer losgelassen, daß man sich nicht vorstellen kann, sie dienten dem reinen Selbstzweck, einen schnellen Lacher zu provozieren, bevor die Wesen aus der Unterwelt weiter morden.
Durch die – im Jahre 1933 spielende – Verbindung ägyptischer Mythologie und Pop-Mythen wird dem Zuschauer eine dritte Ebene offenbart, in der er sich seiner Rolle als Teilhaber eines Spektakels bewußt werden soll. Ihm wird klar, daß er hier nicht nur lediglich eine Narration verfolgt, sondern daß er die Bilder gleichzeitig zur Reflektion über das Gesehene selbst nutzen kann. Und diese, meiner Meinung nach tatsächlich nicht auf reinem Selbstzweck basierende Ironie, unterscheidet sich insofern von ähnlichem in anderen Genrefilmen, die mit platten Anspielungen aus der Filmgeschichte arbeiten, als das, wie gesagt, in diesem Fall eine weitere mythologische Ebene dem Film von vorneherein als Grundmuster dient.
War der erste Teil der Mumie noch als Remake der B-Movies über Mumien im alten Ägypten konzipiert und hatte daher noch einen, wenn auch leichten, Trash-Appeal, so sind die Special-Effects in Die Mumie kehrt zurück einfach erdrückend. Selten hat man im Kino computersimulierte Massenkampfszenen von solchem Pomp und Pathos beobachten können, selten solch berauschende Bilder von plötzlich verschwindenden Oasen, von der Erde verschluckten Pyramiden und einem vollkommen im Computer animierten Mensch-Skorpion, der, bei aller seiner Figur innewohnenden Lächerlichkeit, dennoch unangenehm furchteinflößend ist.
Trotz seiner erschreckend flachen Dialoge, seiner bei näherer Betrachtung doch recht simplen Grundidee und den schwach agierenden Schauspielern ist Die Mumie kehrt zurück auch dann empfehlenswert, wenn man die ganzen mythologischen Ebenen und die Genrereflektion für Unsinn hält und sich lediglich spannend unterhalten lassen will.
1970-01-01 01:00