Kopf über Wasser
Von Frank Brenner
Die schönste Zeit des Jahres ist die Urlaubszeit, wenn man sich vom Streß und dem Alltagstrott erholen und mal so richtig ausspannen kann – bevorzugt natürlich in Regionen, in denen die Sonne scheint und Meer zur Kühlung vorhanden ist. Susan und Daniel haben es auch bitter nötig, ihre Verpflichtungen einmal hinter sich zu lassen und machen Ferien in der Karibik. Doch bei einem harmlosen Bootsausflug zum Meerestauchen passiert das Unfaßbare. Durch einen Flüchtigkeitsfehler der Verantwortlichen an Bord macht sich das Schiff schon wieder auf den Rückweg, als das junge Paar noch nicht von ihrem Tauchgang zurückgekommen ist. Als Daniel und Susan die Wasseroberfläche wieder erreichen, ist um sie herum nur die endlose Weite des Meeres. Zwischen giftigen Quallen und Haien beginnt für die langsam austrocknenden Erlebnisurlauber der Kampf ums Überleben.
Schon im Vorspann wird dem Zuschauer klargemacht, daß der kommende Film auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. Chris Kentis hat den erfreulich kurzen, sehr intensiven Alptraum konsequent in Videoästhetik festgehalten, was den Authentizitätsanspruch noch unterstreicht. Wir lernen das junge Paar noch zu Hause vor der Abreise kennen, erleben mit ihnen die ersten Tage am Urlaubsort. Auch wenn schließlich auf offener See der Überlebenskampf beginnt, ist die handliche Digitalkamera stets dicht an den Protagonisten und kann somit deren Reaktionen und Emotionen vortrefflich einfangen. Das Drehbuch ist folgerichtig entwickelt, steigert sich von kleineren Unbilden bis zu großen Unannehmlichkeiten und zeichnet auch die psychologische Entwicklung des Paares glaubwürdig nach. Es kommt dem Film zusätzlich zu Gute, daß Blanchard Ryan und Daniel Travis in der Filmbranche noch No Names sind, was eine Identifikation mit ihren realitätsnahen Charakteren weiter erleichtert. Beide erweisen sich als starke Schauspieler, die dem dramatischen Geschehen ohne Zweifel gewachsen sind. Kentis' Inszenierung weckt Urängste beim Betrachter, weil sich jeder in eine solche Situation hineinversetzen kann und die Hauptfiguren der Sympathien der Zuschauer sicher sein können. Open Water ist der eindrucksvolle Beweis, daß es auch heutzutage noch möglich ist, einen überaus spannenden Film zu inszenieren, ohne übernatürliche Phänomene, Kunstblut-Arien oder große Stars bemühen zu müssen. Ein lohnenswerter Insidertip, der einem das Blut in den Adern gerinnen lässt.
1970-01-01 01:00