Von Thomas Waitz
»Nimm mich, wie ich bin / Anders macht es keinen Sinn«, singt Alex, einer, den man wohl leichthin als Hallodri abtun würde, einer, der sich mit Hilfsarbeiten auf dem Bau durchschlägt, und spielt dazu Gitarre in einer schäbigen Eckkneipe. Ruth, die er mag, Svetlana, die er vielleicht liebt: Beide sind Prostituierte. Die eine voller unausgelebter Träume, realistisch oder bodenständig oder abgebrüht – was ja doch nichts anderes heißt als: enttäuscht; die andere, ungeduldig sich selbst gegenüber, mit der Aussicht, schon bald nach Bosnien zurückkehren zu müssen. Ihre Aufenthaltsgenehmigung läuft ab.
plus minus null, bereits vor zwei Jahren entstanden, spielt im Berlin des Umbruchs – auf den mittlerweile verschwundenen, gewaltigen Baustellen am Potsdamer Platz, der unwirklichen, urbanen Einöde eines neuen Deutschlands. Was geblieben ist: der rasende Stillstand. Am Ende steht Alex dann tatsächlich mit so etwas wie plus-minus Null da – wieder dort, wo er angefangen hat.
Mit nur ein paar tausend Mark in der Tasche, auf Mini-DV und mit einfachsten Mitteln hat Eoin Moore einen bereits mehrfach ausgezeichneten Film gedreht – mit einem reduzierten Schnitt, vielen Reißschwenks, in grobgepixelten Bildern und matten, kontrastarmen Farben. Dessen ungeachtet gelingt es ihm nicht, in ästhetischer Sicht aus der finanziellen Not eine künstlerische Tugend zu schlagen, gar eine Bild- und Tonsprache zu finden, die mit dem Mangel schöpferisch umgeht. Die technische Reduktion, mag sie von den dänischen Dogmatikern noch so sehr als künstlerischer Mehrwert gepriesen werden, ist dann letztlich doch nur eine Verarmung filmischer Möglichkeiten.
Die spröde, oftmals künstliche Atmosphäre, das sich entspannter Rezeption Widersetzende, der Verzicht auf jede große Geste erfordern Geduld. Lösungsmöglichkeiten, die sich andeuten, der Traum vom kleinen Glück, ein bürgerliches Leben möglicherweise: plus minus null macht keine Hoffnungen – weder falsche noch echte. Ein schmaler Grat ist es oft nur zum Abgrund. Über die schmerzhafte Balance an ihm entlang hat Eoin Moore einen ganz und gar mitleidslosen, ernsthaften und bedrückenden Film gemacht.
1970-01-01 01:00