Spätlese
Von Frank Brenner
Wo war Paul Giamatti all die Jahre? Obwohl der 37jährige New Yorker seit nunmehr zwölf Jahren Filme dreht, ist er vor seiner fantastischen Hauptrolle in der genialen Comicverfilmung
American Splendor immer nur für die zweite Garde besetzt worden. Er hatte zuvor in einigen großen Filmen unbedeutende Nebenrollen (so z.B. in den Woody Allen-Filmen
Deconstructing Harry und
Mighty Aphrodite) und erregte in Milos Formans Andy Kaufman-Biographie
Man On the Moon erstmals wirklich Aufmerksamkeit. Nun kommt schon relativ kurz nach
American Splendor ein weiterer Independent-Knaller mit dem smarten Losertyp in der Hauptrolle in unsere Kinos, was die Hoffnung nährt, daß Giamatti auch hierzulande bald ein Star sein könnte. Verdient hätte er dies ohne Frage, schließlich bestätigt er in
Sideways erneut, daß er einer der faszinierendsten Schauspieler seiner Generation ist und erfreulicherweise nicht das makellose und austauschbare Modelgesicht vieler seiner Kollegen hat.
Giamatti spielt in
Sideways den besten Freund des von Thomas Haden Church verkörperten Jack. Jack wird in einer Woche heiraten und möchte in der Zwischenzeit mit Miles noch einmal so richtig einen draufmachen. Zusammen fahren sie in Miles' Auto durch die Weinregionen Kaliforniens, probieren süffige Tropfen und versuchen, bei zwei weinkundigen hübschen jungen Damen zu landen. Zumindest Jack versucht dies, der schüchterne Miles ist noch immer nicht über seine gescheiterte Ehe hinweggekommen, die vor zwei Jahren in die Brüche ging. Seine Annäherungsversuche fallen dementsprechend schüchtern aus.
Der Junggesellenabschied vor der Ehe hat in der Filmgeschichte schon einigen abgrundtief schlechten Filmklamotten als roter Faden gedient, erinnert sei an dieser Stelle nur an die Tom Hanks-Jugendsünde
Bachelor Party. Daß es auch ganz anders geht, hat nun Alexander Payne (
About Schmidt) mit seinem neuesten Film bewiesen. Die beiden Jugendfreunde in
Sideways sind schon aus dem Twen-Alter heraus, weswegen pubertäre Gags in diesem Film vollkommen deplatziert wären. Aber obwohl auch hier letzte voreheliche Seitensprünge und deren Konsequenzen den Nährboden für die meisten Gags liefern, geht Payne wesentlich subtiler und treffsicherer zu Werke als viele seiner Kollegen. Aufgrund seines exzellenten Timings kann man sich auch an Klamauk ergötzen, der in jedem anderen Kontext schlichtweg banal gewirkt hätte. Hier funktionieren diese Gags auf umwerfende Weise. Wenn beispielsweise gegen Ende des Films ein vorgetäuschter Autounfall die Gesichtsverletzungen Jacks erklären helfen soll, ahnt man schon, was dabei alles schief laufen könnte. Die richtige Kameraeinstellung und die vielsagenden Blicke der beiden Hauptdarsteller machen aus diesem simplen visuellen Gag ein Kabinettstückchen der subtilen Charakterkomik.
Neben Paul Giamatti darf nämlich auch Thomas Haden Church, der seit Jahren in undankbaren Nebenrollen verheizt wird, endlich einmal eindrucksvoll beweisen, was in ihm steckt. Seiner physischen Ähnlichkeit mit Arnold Schwarzenegger zum Trotz ist Church ein begnadeter Komödiant und ein herrlich subtiler Charakterdarsteller. Bleibt zu hoffen, daß die beiden Talente, die ihren Zenit noch lange nicht erreicht haben, nun genauso wie ein guter Wein im Alter die nötige Reife entfalten und ihre Qualitäten auch für den gemeinen Konsumenten offensichtlich werden. Die Dreharbeiten zu Paul Giamattis nächstem großen Film (Julian Goldbergers
The Hawk Is Dying) beginnen derzeit in Florida, und der sympathische Italo-Amerikaner dürfte weitsichtig genug sein, seinem einsetzenden Rollenstereotyp darin gekonnt ein Schnippchen zu schlagen.
1970-01-01 01:00