NiX mitGeneration X
Von Dirk Steinkühler
Eine Abrechnung mit Generationsfilmen, deren Vertreter längst in eine neue Ära aufgebrochen sind
Characters out of key, in and out of love, drifting, slightly twisted, still willing to listen – childlike and full of wonder with their world – people I would like to consider my friends.
(Douglas Coupland über Richard Linklaters
Slacker)
Der Kanadier Douglas Coupland porträtierte Anfang der 90er Jahre frustrierte Altersgenossen, die sich als Überlebenshilfe phantasievolle Geschichten erzählen, und zeichnete das ironische Bild einer übersättigten Generation, die nach neuen Impulsen für ihre perspektivlose Zukunft sucht. Fatalerweise wählte er für sein literarisches Werk den Titel »Generation X«, so daß seitdem jeder Roman und jeder Film, der auch nur annähernd die Probleme der Twentysomethings beleuchtet, dieses Etikett verpaßt bekommt. Dabei scheint oftmals schon auszureichen, daß irgendwo ein Haus am Rande der Wüste steht und Leute endlos redend herumhängen, selbst wenn die Figuren mit Couplands Antihelden soviel Ähnlichkeit haben wie mit Inge Meysel. Douglas Coupland schuf einen Generationsbegriff, der sich über ein bestimmtes Zusammengehörigkeitsgefühl und nicht über ein bestimmtes Alter definiert.
Etwa zeitgleich mit Coupland gelang Richard Linklater mit
Slacker (1990) ein vergleichbares filmisches Pendant, das mit hundert scheinbar zufälligen Lebenssituationen eine Reihung einzelner Geschichten entstehen läßt. Nach
Dazed and confused (1993), seiner ungeschlagenen Reminiszenz an die unbeschwerten 70er, begleitete Linklater anschließend völlig unverständlicherweise Ethan Hawke und Julie Delpy in
Before Sunrise (1994) auf einem substanzlosen und one-night-stand-orientierten Trip nach Wien. Dabei erlag er genau dem Fehler vieler Pseudo-Generation-X-Filmer, die mit dem für diese Generation eher unbedeutenden Aspekt der sexuellen Orientierungslosigkeit sowie harmlosem Dummschwätzen den Blick auf die wirklich wichtigen Probleme verbauen.
So beruhigt Richard Linklater seine alten Fans, indem er in seinem neuen Film
subUrbia auf gewohntes Terrain zurückkehrt. Jeff, seine Freundin Snooze, Tim, Bee-Bee und Buff erinnern an einige seiner jungen slacker oder Couplands Antihelden und leben in einer austauschbaren Kleinstadt im amerikanischen Hinterland. Ihre Eltern, das College oder ihre Jobs, falls sie einen haben, sind ihnen egal, und die Erwartungen von ihrem weiteren Lebensweg pendeln zwischen Pessimismus und phantastischen Zukunftsmalereien. Allabendlich hängen sie neben einer Tankstelle ab, reden, trinken Bier und versuchen, mit sinnlosen rebellischen Aktionen dem langweiligen Alltag zu entfliehen. Als Pony, ein eher untalentierter, aber inzwischen scheinbar erfolgreicher Popstar, bei seinen alten Freunden vorbeischaut, lassen sie schließlich ihrem Neid und ihren aufgestauten Aggressionen freien Lauf oder jagen mit Pony ihren Träumen nach.
Richard Linklater bearbeitet mit seiner Verfilmung eines Bühnenstücks von
Talk Radio-Solist Eric Bogosian ein für ihn typisches Thema und liefert, was minimal von ihm erwartet wurde. Dank frischer Darsteller gelingt ihm ein witziges bis nachdenkliches Drama in angemessener Qualität, doch bleibt er letztendlich dort stehen, wo er mit seinen slackers schon angekommen war. Er thematisiert, mit oder ohne dem Stempel »Generation X«, deren Probleme, doch verweigert sich Linklater ihrer konsequenten Fortführung. Zudem fehlt ihm die nötige Locker- und Ungezwungenheit von
Slacker und mit Sicherheit auch der scheinbar verlorengegangene Esprit von
Dazed and confused. Für einen weiterentwickelten Blick in die »Generation X« sind seine Figuren zu jung und als aktuelles Zeitbild viel zu sehr in der Vergangenheit verwurzelt.
An einen Punkt, wo Erfahrungen ihr Leben verändert haben, sind hingegen Andrew McCarthy und Lili Taylor in Isabel Coixets
Things I never told you angelangt. Beide Schauspieler fühlen sich selbst auf mysteriöse Weise verloren und sagen über ihre Rollen: »It's me.« Sie erinnern als Träumer von Glück und Erfüllung an die Charaktere der »Generation X«. Als nice guy der 80er Jahre geriet Andrew McCarthy mit dem Beginn des neuen Jahrzehnts immer mehr ins Abseits. Wie Don, sein Charakter in
Things I never told you, ließ er sich zunächst vom Leben und den Plänen anderer treiben, ohne auf seine Wünsche zu achten.
So scheinen auch für Don, der als Makler teurer Häuser Träume von Familienglück und einer gesicherten Zukunft verkauft, diese für ihn selbst nicht in Erfüllung zu gehen. Doch nach einer Zeit der Untätigkeit versucht er, seine Frustration zu überwinden, hilft bei einer hope line und trifft auf Ann. Sie wurde soeben von ihrem Freund verlassen und schleppt sich nach einem mißlungenen Selbstmordversuch nun tagsüber zu ihrem Job in einem Fotogeschäft und vergräbt sich abends in ihrer kleinen Wohnung. Die zunächst telefonischen, dann persönlichen Gespräche mit Don öffnen beiden die Augen, wie es Lili Taylor nennt, und lassen sie mit ihrem angesammelten Erfahrungsschatz im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach neuen Wegen suchen.
Lili Taylor sieht daraus eine Serie von magischen Momenten entstehen, die, seien sie glücklich oder schrecklich, zusammen einfach Sinn machen. Sie bilden das Leben, das jeder irgendwie meistern muß, da es einfach nicht lohnen kann, sich je selber aufzugeben. Don und Ann leben, lieben und leiden wie wir alle und ermöglichen auf wunderbare Weise das Entscheidende: Identifikation und unerklärliche emotionale Anteilnahme. Es ist das Phänomen, das viele schon in Ben Stillers
Reality Bites (1993) nur fühlen konnten und damit bei anderen auf Unverständnis stießen, und das jetzt mit
Things I never told you in gereifter Form zurückkehrt.
Die alten Entwürfe der »Generation X« haben sich überlebt, sie bedürfen dringend einer zeitgemäßen Veränderung oder Weiterentwicklung, und Richard Linklaters Wiederbelebungsversuch mutet fast schon nostalgisch an. Er versäumt notwendige Identifikationsangebote für viele der heute Zwanzigjährigen, die damals schon den nachfolgenden »Global Teens« angehörten und jetzt genau an dem Punkt stehen, wo sich vor 5 Jahren die »Generation X« neu orientieren mußte.
Als bekennender Anhänger dieser Generation teile ich Douglas Couplands Meinung, daß die »Global Teens« mit uns nur wenig gemeinsam haben. Nachdem Coupland mit
Shampoo Planet längst einen Blick auf diesen Nachwuchs geworfen zugewandt hat, führt Isabel Coixet die Vertreter der älter gewordenen Generation in die zukünftige Richtung. Und dabei beantwortet sie die alles entscheidende Frage: Warum noch Linklaters stagnierenden Antihelden zuschauen, wenn Taylor & McCarthy schon längst einen Schritt weiter sind?
1970-01-01 01:00