Die Farbe des Verkehrs
Von Anatol Weber
Kann ein Film von Steven Soderbergh überhaupt noch mehr erreichen als grenzenlose Begeisterung, Bewunderung, Respekt und dazu noch ein respektables Einspielergebnis? Zwei Oscars vielleicht, den glücklichen George aber sicher. Denn dank der exquisiten Farbgebung, die jeden Handlungsstrang von Traffic in einem speziellen Licht erscheinen läßt, wird auch der neue Trottel im Weißen Haus einfach durch den Grenzverkehr gelotst.
Was hier in Europa aufgrund der ästhetischen Finesse für einen Jubelschrei gesorgt hat, ist eigentlich nur die logische Konsequenz, die Soderbergh aus der Dummheit seiner Landsleute gezogen hat, um einem Film, dem von Beginn an wenig Erfolg zugetraut wurde, doch noch marktkompatibel zu gestalten und seinem Ruf als intelligenter und kreativer Filmemacher mit Herz für Kommerz gerecht zu werden.
Nur zu gut sind uns die Farben dieser Welt bekannt und als eine der ersten Lehren in unserem Hirn verankert worden. Ob wir nun über die Straße oder zur Wahlurne gehen, die Farbe bestimmt das Ziel. Bedenken wir aber, welche enormen Risiken Soderbergh auf sich genommen hat, indem er ein Drittel des Filmes im mexikanisch-spanischen Originalton gedreht hat, versteht sich das ästhetische Schema von selbst.
In den USA, die sich vor Mexiko durch einen Schutzwall schützen läßt, in denen die Einwanderer aus dem Nachbarland keine Rechte haben, aber sehr wohl für das Wirtschaftswachstum verantwortlich sind, genießt die Doppelmoral den besten Ruf. Sei verantwortlich für mein Haus, meinen Garten, die Drogen und den Snuff, aber nicht in meiner Familie. Selbst die afroamerikanische Filmgemeinde ist happy und hat zur ihrer Erbauung – siehe
Shaft – den Latino als Leinwandtrottel entdeckt. Daß diese sich so schnell rächen, indem sie die Wahl von George W.(eg mit dem Kakaokartell) Bush tatkräftig unterstützt haben, das ist die absurde Seite der Doppelmoral.
Ist Soderbergh somit also auch ein Wahlmann von Bush? Während der Berlinale hielt er sich merkwürdig bedeckt zu diesem Thema, betonte mehrfach, eher unpolitisch zu sein, und was den Grenzverkehr anginge, sei abzuwarten, welche Richtung die neue Regierung einschlagen werde. Außerdem sei er in Gedanken längst bei seinem neuen Projekt
Ocean's Eleven, dem vollkommen politfreien Remake von einem Frank Sinatra Ratpack Spaß mit Clooney und der Roberts. Smart Ass! Einen Vorwurf muß sich Steven Darling auch gar nicht gefallen lassen. Geschickt weicht er den harten Themen wie der Verwicklung der US-Behörden und des Millitärs in den Drogenhandel aus, und bedient uns alle zu guter Letzt mit einem nüchternen und dennoch hoffnungsvollen Happy End.
Daß
Traffic trotzdem zum Besten und Außerordenlichsten gehört, das Hollywood in den letzten Jahren verlassen hat, das liegt wiederum an Soderbergh. Von jeher versteht er es, seine Filme ästhetisch und narrativ so grandios und spannungsgeladen aufzubauen, daß die Inhalte zumeist nur ein Vehikel seiner filmischen Obsessionen und Experimentierwut sind. Kontrollierte Anarchie ist sein Zauberwort, und daß er die dort anwendet, wo er sie einzusetzen weiß, ehrt ihn und wäscht ihn von jedem Gedanken an einen College-Westentaschenrevolutionär frei.
Die technische Entschlüsselung und Umsetzung der komplex ineinander verwobenen Handlungsstränge hat seine Kreativität gereizt und zu kuriosen Lösungen geführt. Allein sein Vater wird wissen, wie es war, die rigiden Richtlinien der Gewerkschaften auszuhebeln und Steven den Namen zur Verfügung zu stellen. So konnte dieser ungestört als Director of Photography wirbeln und diesen einzigartig dokumentarisch-handkameralastigen Touch entwerfen, der die, Soderbergh typisch, ausgezeichnete Schauspielerriege zu noch herausragenderen Leistungen angetrieben hat. Vermutlich wird Wonder-Steven auch der erste sein, der die Hollywood-Topstars in einem Semiporno durchs prüde Amerika führen wird, und George W. wird ihm persönlich den Oscar überrreichen – eben »The Smartest Ass«!
1970-01-01 01:00