Falscher Hase
Von Daniel Albers
An alle Historiker und Altphilologen: Nein, dieser Film ist keine originalgetreue Literaturverfilmung von Homers »Ilias«, sondern der Versuch eines deutschen Regisseurs in Hollywood, den antiken Stoff rund um die Geschehnisse des Trojanischen Krieges für möglichst breite Zuschauerschichten unterhaltsam aufzubereiten. Drehbuchstar David Benioff (
25th Hour) hat Petersen dabei routiniert zugearbeitet und ihm eine Bearbeitung des Mythos abgeliefert, die sich naturgemäß weniger um literaturhistorische Genauigkeit als um optimale Verwertbarkeit des Films als Starvehikel kümmert. Mit einem Produktionsbudget von etwa 150 Millionen Dollar ausgestattet, ließen sich anschließend Eric Bana, Orlando Bloom und vor allem Brad Pitt als antiker Superheld Achilles wohl relativ problemlos überreden, an dem Mammutprojekt mitzuwirken. Letzterer darf sich als altgriechischer McClane genüßlich, endlos cool und meist äußerst spärlich bekleidet in den Mittelpunkt spielen, um erst gegen Ende den Heldentod im Namen der Liebe zu sterben (bei Homer erlebt er die Eroberung Trojas nicht mehr). Das alles macht er jedoch prima, und abgesehen davon, daß er für einen griechischen Helden ein bißchen blond daherkommt, auch durchaus überzeugend.
Die eigentliche Geschichte der Schlacht um Troja wird in ihren Grundmotiven nacherzählt, wobei zehn Jahre auf ein paar Wochen erzählter Zeit gerafft werden: Paris, Sohn des trojanischen Herrschers Priamos, verliebt sich in Helena, die Tochter des Königs Menelaos von Sparta, Bruder des griechischen Herrschers Agamemnon, und entführt sie in seine Heimatstadt. Obwohl Priamos und vor allem sein ältester Sohn und Thronfolger Hektor auf Frieden mit Griechenland aus sind, läßt sich die Provokation nicht mehr rückgängig machen, und der herrschsüchtige Agamemnon zieht mit seinem rachedurstigen Bruder zur Eroberung der unabhängigen und als uneinnehmbar geltenden Stadt Troja. Bis zur letztlich doch gelingenden Eroberung durch die legendäre griechische List des Trojanischen Pferdes, spielt Achilles sein eigenes kriegerisches Spiel und kämpft an der Seite des ihm verhaßten Agamemnon einzig und allein für unsterblichen Ruhm.
Die klassische, ohne inszenatorischen Wagemut umgesetzte Hollywood-Dramaturgie von
Troja beweist einmal mehr, daß die in Kalifornien arbeitenden Deutschen die erfolgversprechenden Regeln des großbudgetierten Regiegeschäfts so gut beherrschen bzw. so kompromißlos beherzigen wie kaum ein anderer. Die Massenszenen der zeitlich sich sehr voluminös ausnehmenden Schlachten sind State of the art und können in ihrem Bomast durchaus mit der
The Lord of the Rings-Trilogie mithalten. Das Cinemascope-Format wird mustergültig und eindrucksvoll ausgenutzt, und alle Details wie die jederzeit perfekte Ausleuchtung oder der wieder einmal sehr pompöse Soundtrack von James Horner sind stimmig und erwartungsgemäß perfekt. Der Emdener hat somit bestes Unterhaltungskino abgeliefert, das fraglos die Kassen klingeln lassen wird. Ob der Film im Gedächtnis haften bleiben oder gar als Pflichtprogramm in den schulischen Lehrplan aufgenommen werden wird, steht dagegen zu bezweifeln.
1970-01-01 01:00