Vergiß mein nicht!?
Von Nils Bothmann
Es wird sich noch zeigen, ob
Forgetting Sarah Marshall Auszeichnungen erhält, hierzulande kann man ihn zumindest ganz oben auf eine Liste setzen, nämlich jene der miesesten Titeleindeutschungen. Der neueste Film aus dem Hause Apatow wurde mit der Betitelung
Nie wieder Sex mit der Ex verschandelt, was eher nach jenen unsäglichen TV-Komödien klingt, mit denen Sender wie RTL und PRO 7 seit Jahren gegen die Intelligenz ihrer Zuschauer ins Felde ziehen.
Als Produzent arbeitet Judd Apatow gelegentlich auch mit Komikern wie Will Ferrell oder Adam Sandler zusammen, die wirklichen Apatow-Filme sind aber jene, die er mit seinen Kumpanen von der TV-Serie
Freaks and Geeks fabriziert. Bisher waren dies
Jungfrau (40), männlich, sucht…,
Beim ersten Mal und
Superbad, an die sich
Forgetting Sarah Marshall nahtlos anschließt. Im Gegensatz zu den Komödien eines Sandler oder eines Ferrell sind die Figuren hier nicht bloß reine Abziehbilder, sondern ehrliche Charaktere, was den Apatow-Filmen trotz einiger derberer Scherze immer noch einen lebensnahen Rahmen gibt. Erneut durfte sich mit Hauptdarsteller und Drehbuchautor Jason Segel ein Teil der früheren
Freaks and Geeks-Crew selbst verwirklichen und alte Bekannte aus früheren Apatow-Werken sind in Nebenrollen zu sehen, z.B. Paul Rudd, Bill Hader und Jonah Hill. Die titelgebende Sarah Marshall verkörpert Kristen Bell, die ja schon in der TV-Serie
Veronica Mars Großartiges leistete und der man vermutlich auch zwei Stunden beim simplen Hausanstreichen zusehen würde.
Glücklicherweise ist
Forgetting Sarah Marshall wesentlich unterhaltsamer anzuschauen und behandelt wie frühere Apatow-Filme ein Thema, das die meisten kennen. Nachdem die Quasi-Vorgänger das erste Mal Sex, den Aufbau einer richtigen Beziehung und Kinderkriegen abhandelten, geht es hier nun um Trennungsschmerz. Mit diesem muß sich Hauptfigur Peter abfinden, nachdem er von seiner Freundin, der Titelfigur Sarah verlassen wurde.
Was
Forgetting Sarah Marshall aus dieser Prämisse macht, funktioniert nach bewährtem Apatow-Muster: Flott erzählt, durchweg witzig und mit der erfreulichen Prämisse, Charaktere zu präsentieren, mit denen man sich weitaus eher identifizieren kann als den großspurig auftretenden Figuren eines Adam Sandler. Peter ist ein Durchschnittstyp und hat seine Fehler, trägt sogar Teilschuld am Ende seiner Beziehung, während Sarah weder der Idealvorstellung, die Peter von ihr hat, noch dem Bild der berechnenden Zicke entspricht. Selbst bei der Figur des schrägen Musikers Aldous Snow, Sarahs neuem Freund, erliegt
Forgetting Sarah Marshall nicht der Versuchung ihn einfach nur als klischeehaftes »comic relief« einzusetzen, sondern gibt auch ihm ein exzentrisches, aber dennoch glaubwürdiges Profil. Zudem kommt die bereits erwähnte Qualität der Apatow-Filme: Wenn Peter vor Trennungsschmerz nicht vernünftig arbeiten kann oder jedem von seinen Problemen erzählt, dann sind dies Dinge, die jeder irgendwie kennt. Gelegentlich übersteigert
Forgetting Sarah Marshall solche Situationen dem komischen Effekt zuliebe, z.B. wenn Aldous Sarah ein reichlich deplaziertes Liebeslied singt und Peter ebenso wie die meisten Hotelgäste zuhören muß. Dies sind die Momente, in denen man gleichzeitig über Peters Situation lacht und doch mit ihm leidet – nicht unbedingt Usus in der amerikanischen Mainstream-Komödie. Einer der Höhepunkte ist sicherlich die Szene, in der Peter Sarah verfolgt und gleichzeitig seinem Stiefbruder am Handy verklickern will, das dem nicht so ist. Dabei ist es schwer, den Film auf eine Form von Witz zu reduzieren: Mal funktioniert die Humor-Melange eher über Wortwitz, mal eher über visuelle Gags, ohne dabei jedoch inhomogen oder stilistisch unentschlossen zu wirken.
Jedoch hat die neueste Apatow-Produktion auch seine kleineren Schwächen, die dafür sorgen, daß unterm Strich eine zwar schöne, aber nicht perfekte Komödie herauskommt. Zum einen geht
Forgetting Sarah Marshall – wie die meisten Apatow-Filme – einen Tick zu lang, was jedoch nicht so schwer wiegt. Unschön sind hingegen einige Rohrkrepierer – die meisten dieser Gags spielen in einem Schlafzimmer und sind etwas gröber. Dabei hätte der Film derartigen Humor gar nicht gebraucht, ein unschönes Zugeständnis an jene Fraktion, die Zoten der Marke
Party Animals bevorzugt.
Vermutlich dürfte
Forgetting Sarah Marshall im Originalton noch charmanter und witziger sein, denn die deutsche Version zeigt, daß man bei der Drehbuchübersetzung ähnlich lieblos wie bei der Titeleindeutschung vorging. Wenn »cereal« nicht mit »Frühstücksflocken« oder wenigstens »Müsli«, sondern mit »Cerealien« übersetzt wird, merkt man selbst in der deutschen Synchro den Unwillen der Übersetzer – ein Schicksal, daß der Film nicht verdient hat. Er kommt zwar nicht ganz an
Jungfrau (40), männlich, sucht… oder
Beim ersten Mal heran, ist aber für einen vergnüglichen Kinoabend geeignet.
Trotz der Nähe zum realen Leben gibt es allerdings eine Hollywoodkonvention, die
Forgetting Sarah Marshall nicht bricht: Gegen Ende hilft Filmgott Zufall Peter aus der Misere, was einen etwas märchenhaften Touch hat. Als Lehrfilm für all jene, die gerade ihre ganz private Sarah Marshall vergessen wollen, eignet sich das Werk dann vielleicht nicht, doch die Betroffenen können die Angebetete ja mitnehmen und nach 111 vergnüglichen Minuten Film darauf pochen, daß das wirkliche Leben Probleme nicht so lockerleicht endet. Für soviel Mut hätten sie auf jeden Fall noch eine Chance verdient…
2008-06-06 15:22