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The International

D/GB 2008. R: Tom Tykwer. B: Eric Singer. K: Frank Griebe. S: Mathilde Bonnefoy. M: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer. P: Mosaic Media Group, Studio Babelsberg, X-Filme Creative Pool. D: Clive Owen, Naomi Watts, Armin Mueller-Stahl, Loris Loddi, Ulrich Thomsen, Brian F. O'Byrne, Victor Slezak u.a.
118 Min. Sony ab 12.2.09

Auf dem Boden der Tatsachen

Von Susan Noll Wie cool kann es sein, jede Bombe, die im Hintergrund explodiert, ohne ein Blinzeln hinzunehmen, jeder Kugel, die einem um die Ohren fliegt, mit viel Geschick auszuweichen? Wie cool kann es aber auch sein, als psychisch labiler Held durch eine Geschichte zu stolpern, die mit Rückschlagen nicht geizt und nie im Guten zu enden scheint? Clive Owen hätte James Bond spielen sollen, den ewig gelassenen Agenten im Dienste Ihrer Majestät, jetzt ist er stattdessen Louis Salinger, der Spürhund von Interpol. Ein zweifelnder, zutiefst unsicherer, ständig am cholerischen Gefühlsausbruch vorbeischlitternder Held ist dieser Mann, der in Tom Tykwers neuem Film The International als Ermittler die krummen Geschäfte einer großen Bank aufdecken will. Ständig muß er Rückschläge in der Suche nach einem Zeugen einstecken, der das Geldinstitut hochgehen lassen könnte. Die Arbeit ist zermürbend, ermüdend und zeichnet ihren Ausführer dementsprechend. Ganz uneitel ist Owen da und verzichtet auf den ewig lächelnden, optimistischen Charakter. Wahrscheinlich ist er damit näher dran an der Realität, als man es aus dem Genre des Thrillers gewohnt ist.

Ohnehin ist Tykwers Film ein für ihn eher untypischer: Hat sich der Regisseur in seinem bisherigen Schaffen vor allem fantastischen, traumhaften, mit reiner Logik nicht erfaßbaren Figuren und ihren Geschichten gewidmet, die eine unkonventionelle Erzählweise erforderten und alles andere als naturalistisch wirkten, so wendet er sich mit The International einer handfesten Story zu, die in den Konventionen eines Genres definiert wird. Zudem wird der Stoff noch von der momentanen Wirtschaftslage unterfeuert, eingeholt möchte man fast sagen, aber es geht in diesem Film um soviel mehr als um Märkte, Geld und Krisen. Die Geschichte ist auch nicht ganz neu und hält stofflich wenig Überraschung parat. Natürlich ist diese Bank in Waffengeschäfte verwickelt, natürlich liefert sie Munition nach Afrika, natürlich geht es um die Kontrolle von politischen Konflikten und deren Lösung. Diese Fakten stehen von Beginn an fest, der Dreck schwimmt obenauf, und das Wasser darunter ist klar. Interessant ist nun, daß sich Tykwer auf die anstrengende und kleinteilige Ermittlungsarbeit der beiden Agenten Salinger und Eleanor Withman stützt und ihr Scheitern in langsamen Schritten inszeniert. Hektisch wird es hier selten und so kann man die Agenten bei bürokratischen, unergiebigen Verhandlungen beobachten, ihre langsame Annäherung an die Verdächtigen verfolgen; alles eingefangen in die meditativen Kamerafahrten eines Frank Griebe, der es einmal mehr versteht, die Stadt, in der das Geschehen spielt, zu einem kalten Ort zu machen. Top-Shots und Kranliftings zeigen die sich über den kleinen, unbedeutend erscheinenden Menschen erhebenden Wolkenkratzer und Glasgebäude, in denen sich die Macht konzentriert. Schon die Architektur scheint sich gegen Salinger und seine Mitstreiter verschworen zu haben.

Klassisch erzählt und im Mantel des Thrillergenres erscheint es für Tykwers Film am Anfang schwierig, seine symbolischen Anspielungen zu verpacken. Zunächst ergeht er sich in Konventionen, Spannung wird durch das typische Verwirrspiel um Wissen und Nichtwissen erzeugt. Aber Tykwer hat es doch geschafft, seinen eigenen Film zu machen. Am besten gelingt ihm dies in der lang im Gedächtnis des Publikums hängenbleibenden Shoot-Out-Szene, für die das Guggenheim-Museum in New York nachgebaut werden mußte. Die kahle, weiße Architektur der Innenräume bietet sich als Projektionsfläche nicht nur für Kunstwerke, sondern auch für die Zerstörung aller Illusionen an. In Echtzeit gedreht, sind es die ewig andauernden Minuten des Schusswechsels, die am tykwertypischsten wirken, dabei sind sie näher an der Realität als alles andere. Wenn dann die milchglasige Deckenkonstruktion zu Boden fällt und in tausend Scherben zerspringt, ist es letztendlich auch die Illusion der ewigen Möglichkeit, die Tykwer in Frage stellt und gegen eine nahe Realität austauscht. Nicht nur die Bankgeschäfte sind geplatzt, auch seine Filmsprache betritt hier neues Terrain. Bei ihm wird der Thriller zu einem Lied über den unmöglichen Erfolg, über die Verzweiflung, über Ideale, die zerstört werden, indem sie mit der harten Wirklichkeit konfrontiert werden. Insofern geht der Regisseur noch weiter als in seinen bisherigen Filmen, er trennt sich vom Übersinnlichen, traumhaft Schwelgerischen, ebenso wie sein Held sich schließlich von seinen naiven Idealen abwendet im Angesicht der kalten Realität. 2009-02-10 16:57

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