— — —   DER SCHNITT IST OFFLINE   — — —

Killing Them Softly

USA 2012. R,B: Andrew Dominik. K: Greig Fraser. S: John Paul Horstmann, Brian A. Kates. P: Plan B Entertainment, 1984 Private Defense Contractors, Annapurna Pictures, Chockstone Pictures u.a. D: Brad Pitt, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn, James Gandolfini, Vincent Curatola, Richard Jenkins, Ray Liotta, Trevor Long, Max Casella, Sam Shepard, Garret Dillahunt u.a.
97 Min. Wild Bunch ab 29.11.12

America the brutal

Von Robert Cherkowski Irgendjemand hätte Andrew Dominik erklären sollen, daß jeder gute Gangsterfilm immer auch ein politischer Film ist. Vielleicht hätte er sich den didaktischen Knüppelaus- dem-Sack-Epilog gespart, der seinen dritten Spielfilm Killing them Softly enden läßt wie einen Film Noir von Bertolt Brecht. Man hätte auch ohne Sätze wie »America is not a country – it’s a business« verstanden, daß es sich hier um ein Land am Rande des Kollaps handelt, das für Kohle über Leichen geht. So verlegte er den Pulp-Klassiker »Cogan’s Trade« aus der Feder des Crime- Urgesteins George V. Higgins aus dem Boston der frühen 1970er Jahre ins Katrinaversehrte New Orleans des Jahres 2008. Während Wahlplakate von Obama und McCain die Fassaden schmücken und aus jedem Fernseher und Radio leere Parolen von »Change« und »Country First« plärren, plant ein nicht allzu cleveres Gauner-Trio, die Pokerrunde des lokalen Mobsters Trattmann (heimlicher Star: Ray Liotta) zu überfallen. Was von Anfang an eine dumme Idee war, wird dumm ausgeführt und dumm verschleiert und so dauert es dann auch nicht lang, bis das erboste Syndikat den kaltschnäuzigen Troubleshooter Cogan (relaxt: Brad Pitt) vorausschickt, um die Lage zu sondieren und die Rechnung auszustellen, die von der Hitman-Legende Mickey (nach einem Nebenrollen-Oscar schielend: James Gandolfini) mit Blei bezahlt werden soll. Am Ende geht es ohnehin wie überall nur um die alte Gangsterlogik: Was zählt, ist Cash.

Der Zuschauer sollte versuchen, den Zaunpfahl zu ignorieren, der ihm hier um die Ohren gehauen wird und sich erfreuen an einem strahlenden Stück Edel-Trash der schmutzigsten Sorte. Die Qualitäten wiegen das störende Beiwerk fadenscheiniger Krisen-Metaphern dabei allemal auf. Man sollte sich einfach ergötzen an einem entspannten Brad Pitt, dem man die Freude an den Posen des geradezu übermenschlich souveränen Vollstreckers Cogan förmlich ansieht. Die zwischen dramatischer Anspannung und komödiantischem Timing pendelnden Dialoge zwischen ihm und dem Mob-Mittelsmann Richard Jenkins lassen dabei Erinnerungen an das verbale Sperrfeuer von David Mamets Glengarry Glen Ross aufkommen. Überhaupt wird hier viel geredet und meist aneinander vorbei. So auch in Bezug auf James Gandolfini, der als Edel-Killer angekündigt wird und sich bei seinem ersten Auftritt als aufgedunsene Mischung aus Luca Brasi und Willy Loman entpuppt. Immer wieder läßt der Film in den ausufernden Gesprächen die Story hinter sich, um in der Gesellschaft ausgebrannter Soziopathen zu verweilen. Allein die Szene, in der Pitt den verängstigten McNairy langsam und mit steigender Aggressivität in die Enge drängt, ist spektakulärer als jedes Action-Inferno, und das, obwohl von Anfang an klar ist, wer hier die Hosen an und wer die seine sehr bald voll hat.

Leicht hätte der gesprächige Reigen dabei ein gewollt-cooler Tarantino-Epigone mit 90s-Mief oder ein angestrengt lustiger Ritt durchs Guy-Ritchie-Territorium werden können. Stattdessen ist Dominik klug genug, die Erwartungshaltung immer wieder auszuhebeln und in bester Altmann-Tradition gegen den Strich zu bürsten. So taucht Posterboy Pitt erst nach 20 Minuten das erste Mal auf, um anschließend wieder zu verschwinden und seine meisten Auftritte sitzend im Profil abzuwickeln. Dominik läßt seiner Exzentrik freien Lauf und lädt die Standards des Crime-Pulps mit einem solch düsteren Glamour auf, daß man meinen könnte, Aleister Crowley und Elmore Leonard hätten ein Brainstorming veranstaltet. Wie ein Hexenmeister zelebriert er bekannte Szenen bis zum Exzeß. Sei es eine paranoide Flucht zu den Klängen von Petula Clarks »Windmills of your Mind«, eine aus dem Ruder laufende Befragung des hier wahrlich vom Pech verfolgten Ray Liotta oder ein Drive-By, das in seiner exzessiven Stilisierung die Grenzen des guten Geschmacks weit (weiiiiiiiiiit!) hinter sich läßt – hier wird im Schmutzigen, Häßlichen und Gemeinen gebadet, daß es schwer fällt, den Blick abzuwenden.

Ein wenig gleicht Dominiks Ganovenstück einer der Kugeln, die Cogan in einer Schlüsselszene im strömenden Regen auf eines seiner Opfer abfeuert. Das Ziel mag ein einfaches und die Motive niederträchtiger Natur sein und doch folgt man fasziniert ihrem Flug und ihrem gewaltigen Einschlag. Ein Entkommen scheint unmöglich und ehe man sich versieht, hat man Killing them Softly im Bauch, in der Brust und im Kopf. 2012-11-27 09:56

Abdruck

© 2012, Schnitt Online

Sitemap