Zu Gast bei Freunden
Von Christian Lailach
Wenn die Welt nichts Gutes von uns denkt, dann sind wir selbst schuld. Ohne Referenz auf geschichtliche Ewigschuldfragen sind Selbstmitleid und Masochismus offensichtlich tief in des Deutschen Kultur verankert: bereits von Kaisern und Königen malträtiert, lassen sich gar religiöse Belege (Dornenkranz, Kreuzigung) finden. Diesem Teufelskreis zu entrinnen, scheint schwer bis unmöglich. Auch für den intellektuell hochwertigen Film, der es letztlich dann gar nicht will.
In der neuesten Neuzeit sind es denn nun die Typen vom Bewerbungsgespräch, die dich im Supermarkt hastig verfolgen; dich penetrieren, daß sie früher genauso gewesen seien wie du, du müßtest nur einmal den Mut haben, ohne Einkaufszettel einkaufen zu gehen. Das helfe bereits; und das so sehr, daß du dich schon jetzt auf die nächste Szene freust. – Hochhäusler bleibt sich treu, wird interessant. Abgesehen von der Frage, ob er selbst dem Bild des deutschen Masochisten entspricht, scheint er einer anderen deutschen Tugend zu folgen: Aufklärung, aber richtig. Dies mit einer Sozialstudie, die inmitten einer aufgesetzt romantisierten Gesellschaftsödnis abgründige Orientierungslosigkeit thematisiert. Ohne absehbaren Boden – und genau dies ist das eigentliche Problem; das eines Films diesen Typus' und demnach scheinbar auch das der Gesellschaft allgemein.
»Versäger!«, läßt sich da Hochhäusler zurufen und gleichzeitig eine Ode daraus basteln. Er verunsichert beeindruckend mit Szenen, die über die Zeit hinaus irgendwo zwischen Realität und Traumwelt des Protagonisten stehen; läßt die Schauspieler ihre Rollen ein wenig mehr spielen als leben. Die Kamera steht fest und einen erdrückenden Kopf unter Augenhöhe, was die scheinbar leicht untersättigten Bilder noch unbeweglicher wirken läßt. Somit beherrscht Hochhäusler dieses Genre. Beherrscht es, wie kaum ein anderer.
Rein assoziativ erinnert Falscher Bekenner an die erste Schlägerei, bei der dir von vornherein klar ist, daß du am Boden landen wirst, sobald dir eine Faust ins Gesicht schlägt. Zum einen ist es aus genau diesem Grund nur halb so schmerzhaft, zum anderen kannst du dir die zweite eigentlich sparen.
1970-01-01 01:00