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Der kleine Soldat

Le petit soldat. F 1960. R,B: Jean-Luc Godard. K: Raoul Coutard. S: Agnès Guillemot. M: Maurice Leroux. P: Les Productions Georges de Beauregard. D: Michel Subor, Anna Karina, Henri-Jacques Huet, Paul Beauvais, László Szábo u.a.
85 min. Kinowelt ab 1.7.10

Sp: Deutsch, Französisch (DD 1.0). Ut: Deutsch, Englisch, Spanisch, Niederländisch u.a. Bf: 1.33:1. Ex: Einführung zum Film von Colin MacCabe, Filmplakate, Fotogalerie, Trailer.

Zwischen zwei Stühlen

Von Carsten Happe »Die Fotografie, das ist die Wahrheit. Kino, das ist die Wahrheit, 24 Mal in der Sekunde.« – Einer der meistzitierten Poesiealbumsprüche Godards, er stammt aus einem der zahllosen Monologe in diesem Film, wenn die Handlung wieder einmal still zu stehen scheint, die Hauptfiguren Bruno Forestier und Veronika Dreyer durch ihr leeres Appartement streifen und Godard wenig verklausuliert seine eigenen Ansichten aussprechen läßt. Doch wer bräuchte Handlung in diesen Momenten des Films, in denen er ganz bei sich ist und bei der Wahrheit: das Gesicht Anna Karinas, ihre Haare, die sie für ihn durcheinanderwirbeln soll, ihre Augen in Großaufnahme, ihr Lächeln. 24 Mal in der Sekunde, minutenlang. Bruno Forestier hat zuvor seinem Freund, der sie ihm vorgestellt hat, ohne Groll 50 Dollar Wettschulden übergeben; die Wette ging darum, daß er sich in kürzester Zeit in Veronika verliebe. Bruno hat gerne verloren, doch die Zeit und die Umstände spielen gegen ihn, die Geschichte drängt sich zurück in den Film.

Godard hat Der kleine Soldat 1960 gedreht, sein zweiter Langfilm nach Außer Atem, veröffentlicht wurde er jedoch erst 1963, in Deutschland gar erst 1966. Der Algerienkrieg, der das Hintergrundrauschen der Story markiert, war noch zu präsent. In der Rückschau allerdings ist die vermeintliche Subversivität der dargestellten Geheimdienstaktivitäten – fast naturgemäß – verpufft, möglicherweise auch, weil Godard den Spionagethrill französischer und arabischer Agenten in Lauerstellung eben nicht stringent durchzieht, sondern vielmehr seine im Lauf der weiteren Karriere berühmt-berüchtigten Manierismen, seine Angriffe auf das herkömmliche narrative Kino ebenjenem überordnet.

Der kleine Soldat sitzt gewissermaßen noch zwischen zwei Stühlen, er ist eindeutig in der Phase von Außer Atem oder dem Kurzfilm Charlotte und ihr Typ verortet – die gesamten Wohnungsszenen, der Machismo des Protagonisten – andererseits scheint der spätere Essayfilm immer wieder durch und läßt sich nur schwerlich in das filmische Gesamtkonzept integrieren. Am Ende muß auch die Wahrheit kapitulieren, der Ausstieg ist abrupt und bitter. Übrig bleiben Raoul Coutards bestechende Schwarzweißfotographie und Anna Karinas erster Auftritt für ihren späteren Ehemann, immerhin zwei gute Gründe, dieses wohl zurecht etwas untergegangene Frühwerk Godards auf DVD wiederzuentdecken. 2010-07-06 09:56

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