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Karate, Küsse, blonde Katzen

Yang Chi. HK/BRD 1974. R: Ernst Hofbauer, Chih-Hung Kuei. B: Yu-Hsun Chen. K: Chi Yu. S: Shao Hsi Chang, Hsing-lung Chiang. M: Fu-ling Wang. P: Rapid Film, Shaw Brothers. D: Hua Yueh, Hui-Ling Liu, Sonja Jeannine, Diane Drube, Gillian Bray, Tamara Elliot, Deborah Ralls, Hsieh Wang u.a.
88 Min. Camera Obscura

Sp: Deutsch (DD 2.0). Ut: Englisch. Bf: 2.35:1 anamorph. Ex: Super-8-Version, Deutscher Trailer, Fotogalerie, Booklet von Christian Keßler.

Wer hat Angst vorm gelben Mann?

Von Carsten Tritt Die Praxis internationaler Koproduktionen im Nachkriegskino funktionierte natürlich am umfangreichsten innerhalb Europas, war aber nicht darauf beschränkt. Das europäische Abenteuerkino war immer auf der Suche nach exotischen Schauplätzen, drehte in Ceylon, Pakistan und Israel, und sogar so mancher Schauspieler wählte seine Rollen danach aus, wo er noch nicht gewesen war.

Ernst Hofbauer hat es in den 1960ern gleich zweimal für Produktionen von Wolf C. Hartwig nach Hongkong verschlagen: 1965 drehte er dort Das Geheimnis der drei Dschunken mit Stewart Granger und Harald Juhnke (der kürzlich bei e-m-s in einer hervorragenden DVD-Neuauflage erschienen ist), 1969 folgten Die jungen Tiger von Hongkong mit Robert Woods und einem ein schlimmes Ende findenden Jochen Busse.

Als Anfang der 1970er Jahre das Martial-Arts-Kino seinen Durchbruch geschafft hatte, begannen auch die Shaw Brothers damit, sich für internationale Koproduktionen zu interessieren, in denen dann zumeist ein im Lande des Mitproduzenten gerade populäres Genre mit dem Kung-Fu- oder Schwertkampffilm gekreuzt wurde. Da lag natürlich nichts näher, als daß sich Runme Shaw und Hartwig 1974 zusammenfanden, und natürlich störte es auch nicht, daß Hartwig und sein Stammregisseur Hofbauer sich inzwischen vom Abenteuerfilm abgewandt hatten und stattdessen gerade den sechsten und siebten Teil der Schulmädchen-Reporte ins Kino brachten. Also handelt Karate, Küsse, blonde Katzen von den Erlebnissen einer Gruppe europäischer Schönheiten in den Händen chinesischer Sklavenhändler.

Hofbauer selbst war auch als Softsexregisseur noch durchaus ambitioniert, und wenn auch dort vieles Fließbandarbeit war, blitzten nicht selten seine künstlerischen Ambitionen auf, etwa in der Albtraumsequenz in Schulmädchen-Report 4. Teil – Was Eltern oft verzweifeln läßt. Bei Karate, Küsse, blonde Katzen war er wohl hauptsächlich für die Nacktszenen zuständig, während sein chinesischer Kollege Chih-Hung Kuei für die Kampfszenen verantwortlich war; da der Film trotz zweier Regisseure keine inszenatorischen Brüche aufweist, bleibt allerdings unklar, wer von beiden welche Dialogpassagen inszeniert haben wird. Auch Chih-Hung Kuei ist durchaus kein Unbekannter und erzielte Erfolge auch außerhalb des klassischen Martial-Arts-Films: Ein Jahr vor Karate, Küsse, blonde Katzen hielt sein Das Bambuscamp der gequälten Frauen die durch den Filmtitel versprochenen Exploitationwerte, 1983 beeindruckte er mit dem Fantasyhorror Mo. Während keiner der blonden Titelheldinnen eine erfolgreiche Filmkarriere vergönnt sein sollte, setzten die Shaw Brothers mit Lieh Lo (u.a. Die 36 Kammern der Shaolin) in der Rolle des Helden und Hsieh Wang durchaus Stars ein; hinzu kam noch Hui-Ling Liu, die mit Drei Spaghetti in Shanghai und Die sieben goldenen Vampire in noch zwei weiteren chinesisch-europäischen Zusammenarbeiten auftrat und hier als Widerstandskämpferin den blonden Katzen Unterricht in Kung Fu und Olivenkernweitspucken geben darf…

Insgesamt ist das Ergebnis dabei nicht nur filmhistorische Obskurität, sondern auch filmisch gelungen, und funktioniert somit durchaus als um die Reize hiesigen Schmuddelsexes ergänzter Kung-Fu-Film; die Kampfszenen in klassischer Studiokulisse präsentieren hier eine Choreographie auf der Höhe des Schaffens der Shaw-Brothers-Studios, gerade in den Massenszenen zum filmischen Höhepunkt. Die fünf Europäerinnen zeigen sich allesamt äußerst athletisch, sind jedoch ihren asiatischen Kollegen natürlich nicht ebenbürtig, so daß es bei deren Kampfauftritten etwas erstaunlich scheint, wenn sie mit ihren paar einstudierten Trittbewegungen gleich gegen eine ganze Armee bestehen sollen, dennoch ist auch dies noch überraschend gut gemacht – auch gerade Dank der Qualität ihrer Mitkämpfer. Zudem wirkt selbst das immer noch zumindest weniger peinlich als die Szene aus Lethal Weapon IV, in der Mel Gibson und Danny Glover Jet Li verhauen, und erst recht bleiben auch diese Sequenzen dem asiatischen Inszenierungsstil treu, eben nicht nach jedem Schlag zu schneiden und so durch die Montage tatsächlich nicht vorhandene Kampfkunst vorzutäuschen, sondern auch hier stets mehrere Schlagsequenzen ohne Zwischenschnitt zu präsentieren.

Was den Softsexanteil angeht, ist Karate, Küsse, blonde Katzen zurückhaltender als zeitgleich entstandene heimische Produktionen, so daß auf Full Frontal Nudity konsequent verzichtet wird und auch die Bettszenen etwas gediegener gehalten sind. Dies dürfte weniger an Hofbauer gelegen haben als an den etwas strengeren Sitten des kantonesischen Produktionspartners. Allerdings gibt es immer noch genug Oben-Ohne-Kung-Fu, und nur ein Crétin würde hier natürlich einen Vergleich zu den Sexy Sport Clips im DSF auch bloß in Erwägung ziehen. Ergänzt wird der deutsche Anteil an der Produktion selbstredend noch um eine deftige Münchener Synchronfassung, die mit einer glänzend aufgelegten Marianne Wischmann sowie u.a. mit Wolfgang Hess aufwartet.

Insofern ist die technisch vorbildliche DVD von Camera Obscura nicht nur für Freunde asiatischer wie deutscher Filmgeschichte höchst wertvoll, sondern auch ausgesprochen unterhaltsam. Die hier vorliegende Veröffentlichung ist dabei derzeit die einzige weltweit erhältliche Fassung des Films, der zuvor für den Heimmarkt nur in einer zusammengeschnittenen Super-8-Fassung und auf VHS veröffentlicht wurde, wobei die VHS-Fassung aus nicht nachvollziehbaren Gründen bereits 1982 von der Bundesprüfstelle indiziert wurde. Zwar ist der Film wohl zumindest im englischsprachigen Ausland auch im Kino gelaufen, wurde aber weder dort noch im asiatischen Raum später erneut veröffentlicht, so daß außer der gelungenen, aber wie üblich recht freien deutschen Synchronfassung keine weiteren Sprachfassungen des Films überliefert sind. 2010-11-22 09:41
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