You Complete Me
Von Asokan Nirmalarajah
Was M. Night Shyamalan in
Unbreakable (2000), dem besten Superheldenfilm ohne Comicvorlage, als konsequente Pointe seiner ergreifenden Geschichte präsentierte, und Christopher Nolan in
The Dark Knight (2008), der keineswegs besten Batman-Adaption, wiederholt betonte, ist eines der bekanntesten Konventionen des Genres: die gegenseitige Abhängigkeit von Superhelden und Schurken. Oder wie es der Joker seinem Erzfeind Batman in Nolans semi-intellektuellem Crime-Epos in Anlehnung an die schönste Szene aus der romantischen Komödie
Jerry Maguire erklärt: »You complete me.«
Megamind, eine computeranimierte Superhelden-Parodie, die man weder zu den schlechtesten (
Große Haie – Kleine Fische), noch zu den besten Animationsfilmen (
Der Prinz von Ägypten) aus dem Hause DreamWorks zählen möchte, geht nun von der durchaus ansprechenden, wenn auch nicht so originellen Frage aus, was wäre, wenn der Schurke den Helden endlich besiegt und die alleinige Hauptfigur des Films ist? Die amüsante Sinnkrise, in die die verlorene Bindung zum ›guten‹ Metro Man, den ›bösen‹ Megamind hier stürzt, ist vielleicht nicht so clever wie
Die Unglaublichen, aber witziger als
Ich – Einfach unverbesserlich.
Megamind amalgamiert in seiner ansprechend entworfenen Welt zahlreiche Elemente aus berühmten Superhelden-Comics wie Batman, Superman und X-Men und liefert sogar flüchtige Referenzen auf erlesenere Beispiele wie Alan Moores Watchmen, ohne dabei den Eindruck einer Genre-Collage zu erwecken, die sich – wie nicht wenige andere DreamWorks-Animation-Produktionen – mit leicht zu erkennenden Populärkulturzitate begnügt. Abgesehen von der recht temporeichen und mitunter inspirierten Inszenierung, zu deren dramaturgisch gelungeneren Kniffen nach Aussage der Produzenten
Hellboy-Regisseur Guillermo del Toro beigetragen hat, ist es die solide Star-Besetzung, die den karikaturhaft, aber doch liebevoll gestalteten Figuren mit ihren Stimmen Leben einhaucht. Während Will Ferrell den blaufarbigen Megamind als einen ebenso größenwahnsinnigen wie charmant inkompetenten Schurken anlegt, der als ewiger Außenseiter in seine Rolle hineinwächst, sind es Brad Pitt als selbstgefälliger Held mit Elvis-Tolle, Tina Fey als sexy-neurotische Fernsehjournalistin, David Cross als pfiffiger Handlanger Megaminds und Jonah Hill als dessen dämlicher Zögling, die mit ihrem Improvisationstalent das Skript auflockern.
Denn die durchweg vorhersehbare Geschichte von
Megamind geht nur vordergründig der alten Nature-vs.-Nurture-Frage nach, ob der Charakter eines Menschen (oder in diesem Falle zweier völlig gegensätzlicher Außerirdischer) mehr durch seine genetischen Anlagen oder sein soziales Umfeld geprägt wird. Niemand ist hier von Grund auf böse, der Wunsch nach Anerkennung und Zuneigung führt nur manchmal über destruktive Umwege bis es zur Läuterung kommt. Was gerade die origin stories im Superheldenfilm immer wieder ausstellen, ist die Beobachtung, dass den Superhelden von dem Superschurken oft nicht viel mehr unterscheidet als das Umfeld, in dem er aufwächst, und an welchen Autoritätsfiguren er sich dabei orientiert. Die zentrale Idee hinter einer Fernsehserie wie
Smallville besteht ja gerade darin, daß Superman später nicht so vorbildlich wäre, wenn sein Alter Ego Clark Kent nicht bei dem Ehepaar Kent aufgewachsen wäre. Und eine Kinoserie wie
Spider-Man stellt seinen heranwachsenden Helden auch immer wieder vor die prägende Wahl zwischen vorbildlichen (Onkel Ben Parker) und zwielichtigen Vaterfiguren (den wahnsinnig gewordenen Wissenschaftlern Norman Osborn und Dr. Otto Octavius)
In
Megamind sehen die Helden und Bösewichter zwar aus wie konventionelle Helden und Bösewichter, aber niemand ist hier dazu gezwungen, in seinen vorgegebenen Rollen zu versauern. Wenn sich Metro Man als Musiker und Megamind mal als Held versuchen wollen, dann wird das als ein Ausdruck ihrer Individualität zelebriert. Eine der gelungensten Wendungen des Films besteht auch darin, daß sich Megamind in Abwesenheit seines Rivalen einen Kontrahenten aus dessen DNA bastelt und darin schult, ein klassischer Superheld zu werden und anschließend die Heldin der Geschichte zu umgarnen. Dieser Handlungsstrang gestaltet sich als eine überraschend wirkungsvolle Vermengung von Story-Elementen aus
Frankenstein und
Cyrano de Bergerac, die den traditionellen Diskurs des Superheldenfilms um die Identitätsfragen seiner rastlosen Hauptfigur um ein paar interessante wie lustige Facetten bereichert.
Auf der deutschen DVD von
Megamind fehlt zwar
Megamind: The Button of Doom, das in der amerikanischen Edition enthaltene 16minütige Kurzfilm-Sequel zum Kinofilm, aber an erwähnenswerten Extras findet man auch hier eine kurze geschnittene Szene, ein knapp 10minütiges Featurette, in dem einige der Stars hinter den Stimmen vorgestellt werden, sowie ein recht informativer Audiokommentar, auf dem sich Regisseur, Autoren und Produzenten gegenseitig lobend auf die Schulter klopfen für ihren sympathischen Superheldenfilm-Pastiche.
2011-06-01 09:34