— — —   DER SCHNITT IST OFFLINE   — — —

Duncan Jones

© Rodene Ronquillo

New Kid on the Moon

Von Patrick Heidmann Er war zwar einer der zahlreichen Kameramänner beim groß inszenierten 50. Geburtstag seines Vaters im Jahre 1997. Doch davon abgesehen kann man nicht unbedingt behaupten, Duncan Jones hätte in seiner Karriere allzu oft Profit daraus geschlagen, daß er der Sohn von David Bowie ist. Sonst hätte es vermutlich nicht zehn Jahre gedauert, bis er nach Regiestudium und diversen Arbeiten für Werbung und Musikbranche sein Kinodebüt vorlegt. Nun, wo der beeindruckende Science-Fiction-Film Moon viel beachtet und preisgekrönt auf der ganzen Welt lief und endlich auch in Deutschland startet, hat er die Hilfe ohnehin kaum mehr nötig. In Hollywood zeigte man sich zumindest so begeistert von der Arbeit des Briten, daß er prompt den nächsten Film drehen durfte. Unter Hochdruck sitzt er gerade im Schneideraum, um Source Code für einen Start im kommenden Jahr fertig zu machen.

Duncan, Moon wird mehr oder weniger im Alleingang von Ihrem famosen Hauptdarsteller Sam Rockwell getragen. Stimmt es, daß Sie die Rolle explizit für ihn geschrieben haben?

Das ist korrekt. Ursprünglich wollte ich ihn schon als Darsteller für einen anderen Film, den ich eigentlich zuerst im Sinn hatte. Der stellte sich dann allerdings als ein bißchen zu ambitioniert für einen Debütfilm heraus. Sam und ich verstanden uns trotzdem auf Anhieb richtig gut, also suchte ich irgendeinen Weg, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Das Beste, was mir einfiel, war einen Film eigens für ihn zu schreiben. Wir einigten uns schnell darauf, daß es eine Science-Fiction-Geschichte sein sollte, inspiriert von den Genrefilmen der späten 1970er und frühen 1980er Jahre, in denen normale Menschen aus der Arbeiterklasse im Zentrum standen. Am Ende wurde daraus dann Moon.

Ganz schön riskant, oder? Es hätte ja durchaus sein können, daß ihm das Drehbuch am Ende gar nicht gefällt…

Na ja, es gab tatsächlich mal einen Moment, wo ich ein bißchen nervös wurde. Die Finanzierung unseres Films kam ungefähr zu jenem Zeitpunkt zustande, als in Hollywood gerade die Drehbuchautoren streikten. Ganze viele Produktionen wurden damals auf Eis gelegt, weswegen die Shepperton Studios in England ziemlich leer gefegt waren und wir extrem günstig an eine ihrer Hallen kamen. Wir machten erste Anzahlungen, weil wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen konnten – aber Sam hatte immer noch nicht endgültig zugesagt. Ich dachte also ernsthaft darüber nach, wen ich zur Not als Ersatz engagieren könnte und hätte fast bei dem großartigen irischen Schauspieler Paddy Considine angefragt. Aber so gerne ich mit ihm eines Tages auch mal drehen würde, war ich dann doch sehr erleichtert, als Sam seinen Vertrag unterschrieb!

Davon mal abgesehen: wie schwer war es, Moon auf die Beine zu stellen? Wenige Regisseure wagen sich gleich mit ihrem Debüt an Science Fiction.

Leicht war es in der Tat nicht. Wobei mein Produzent und ich ja kurioserweise das Pferd von hinten aufzäumten. Schließlich hatten wir unseren Hauptdarsteller schon, bevor es überhaupt ein Drehbuch gab. Beim Budget war es ähnlich: wir ermitteln erst, wie viel wir würden ausgeben können, dann überlegten wir, wie sich das anstellen lasse. Auch die Handlung des Films verdankt sich solchen Überlegungen. Daß er größtenteils in geschlossenen Räumen spielt, liegt vor allem daran, daß ich nicht den Launen des englischen Wetters ausgeliefert sein wollte. Im Grunde suchten wir also von Anfang an nach Lösungen für bestimmte Probleme – und entwickelten dann aus diesen Lösungen einen Film.

Tatsächlich sieht der Film sehr viel teurer aus, als er mit knapp 5 Millionen Dollar war. Hatten Sie nie Zweifel, daß es finanziell doch eng werden könnte?

Das ist eine Frage der Planung und etwas, daß ich vielleicht durch meine Arbeit als Werbe-Regisseur früh gelernt habe. Ich überlegte von Beginn an genau, welche Tricks und Effekte sich kostengünstig umsetzen ließen. Einen Schauspieler mehrere Rollen spielen zu lassen ist beispielsweise etwas, das in der Umsetzung zwar manchmal umständlich, aber in der Regel nicht teuer ist und gleichzeitig optisch sehr viel hermacht.

Es ist noch nicht lange her, daß Science Fiction als Genre eigentlich out war. Das änderte sich erst 2009, dank Avatar, District 9 oder eben Moon. Wie erklären Sie sich diesen Boom?

Wenn ich das so genau sagen könnte… Prinzipiell denke ich schon, daß es immer ein Publikum für solche Filme gab, nur eben keine guten Geschichten. Es hat aber nicht zuletzt damit zu tun, daß man mittlerweile für ziemlich wenig Geld ziemlich hochwertige Spezialeffekte realisieren kann, die noch vor kurzem so nicht möglich gewesen wären. Gerade Moon hat sicher dazu beigetragen, das Publikum genauso wie die Produzenten daran zu erinnern, daß clevere Science Fiction nichts mit vollkommen überzogenen Budgets à la Transformers zu tun haben muß. Wobei wir Avatar bei solchen Überlegungen natürlich außen vor lassen sollten. Das ist ein ganz eigenes, singuläres Phänomen.

Woher kommt überhaupt Ihre Liebe für das Science-Fiction-Genre? Hat Ihr Vater etwas damit zu tun, der diesbezüglich ja auch seiner Erfahrungen gemacht hat?

Oh ja, das habe ich sicherlich auch ihm zu verdanken. Er hat mich da früh geprägt, hat mir die Filme von Kubrick gezeigt und die Werke von George Orwell, Philip K. Dick oder John Wyndham näher gebracht. Auch Fritz Langs Metropolis habe ich zusammen mit ihm gesehen. All diese Klassiker haben meinen Appetit für das Genre von Anfang an genährt.

Haben Sie ihn auch mal zu Dreharbeiten begleitet?

Selbstverständlich. Ich war damals mit am Set von Die Reise ins Labyrinth, was für mich als Kind natürlich das Größte war. Dreharbeiten nicht nur mit dem Papa, sondern vor allem mit Jim Henson und seinen Schöpfungen! Bei Absolute Beginners und Begierde habe ich ihn aber auch mal ein paar Tage besucht.

Seinen Namen oder seine Kontakte haben Sie dann später aber eigentlich nie in Anspruch genommen, wenn es um ihre eigene Arbeit ging, oder?

Natürlich hätte er mir helfen können, nicht zuletzt bei der Finanzierung von Moon. Aber ich habe mich zeitlebens darum bemüht, meine Karriere ganz und gar auf meinem Talent und meinen Fähigkeiten basieren zu lassen. Mir war es wichtig, jede Sprosse auf der Leiter selbst zu erklimmen statt irgendwie nach oben gehievt zu werden. Deswegen habe ich die Filmhochschule besucht, anschließend lange Zeit günstige Musikvideos und Werbespots gedreht und mich so allmählich hochgearbeitet.

Ganz ursprünglich haben Sie allerdings Philosophie studiert. Prägt Sie das heute noch als Filmemacher?

Auf eine gewisse Art sicherlich, auch wenn ich das nicht bewußt in den Vordergrund rücke. In Moon verstecken sich durchaus philosophische Elemente, selbst wenn das Publikum die vielleicht gar nicht unbedingt wahrnimmt. Und tatsächlich war mein Forschungsgebiet damals an der Uni gar nicht so weit entfernt von Science Fiction: die Frage nach Moral und Empfindsamkeit bei Tieren, Pflanzen und nicht zuletzt Maschinen im Gegensatz zum Menschen.

Brauchten Sie diesen Uni-Umweg, um den Regisseur in sich zu entdecken?

Im Rückblick frage ich mich selbst manchmal, warum ich trotz meiner Prägung und der früh entwickelten Liebe zum Film diesen akademischen Abstecher gemacht habe. Daß meine Bestimmung eine andere ist, hätte ich wohl früher merken können. Mein Vater hat das immer erkannt und mich damals schon oft gefragt, warum ich eigentlich in Nashville, Tennessee, sitze und an einem Abschluß im Fach Philosophie arbeite. Erst als ich schon drei Jahre hinter mir hatte, machte ich mir bewußt, daß ich nicht als Professor oder Lehrer enden wollte. Mein Vater lud mich dann ein, ihn bei der Arbeit an der Fernsehsendung The Hunger zu besuchen, wo ich mich zwei Wochen lang mit Leuten wie Tony Scott austauschte. Danach war meine Welt nicht mehr die gleiche – und ich zog umgehend nach London, um Regie zu studieren.

Mittlerweile haben Sie nun schon den Moon-Nachfolger Source Code abgedreht. Wieder eine Science-Fiction-Geschichte, aber dieses Mal eine wesentlich größere Studioproduktion aus Hollywood…

Der Film ist in der Tat eine ganze Ecke aufwändiger als Moon, allerdings auch keiner dieser ganz teuren Blockbuster. Plötzlich waren da lauter Anzugträger und Finanzverwalter eines großen Hollywoodstudios involviert, das war schon eine andere Erfahrung als beim ersten Film, wo wir alles mehr oder weniger selbst in der Hand hatten. Der Prozeß des Filmemachens innerhalb dieser Maschinerie ist schon irgendwie ein anderer, und mich hat es wirklich fasziniert, diese Mechanismen und Hierarchien mal aus nächster Nähe zu erleben. Ob man es glaubt oder nicht: Mir hat das viel Spaß gemacht. Außerdem habe ich jede Menge über Hollywood gelernt, das kann in meinem Job nur hilfreich sein. 2010-07-19 14:06
© 2012, Schnitt Online

Sitemap