Weltbilder vs. Wirklichkeit
Von Kirsten Kieninger
Thomas Frickels Film
Die Mondverschwörung ist eine dokumentarische Reise durch deutsche Wohnzimmer und Weltbilder. Eine filmische Parade zunehmend skurriler Protagonisten, die mit harmlosen Alltags-Esoterikern anfängt und über paranoide Verschwörungstheoretiker bis hin zu UFO-gläubigen Rechtsradikalen führt. Während seiner Kino-Tour für den Film sprachen wir mit dem Filmemacher und AG DOK-Vorsitzenden über
Die Mondverschwörung und freimütig geäußertes Gedankengut, über Scripted Reality und dokumentarische Wirklichkeit und über die Zukunftschancen des Dokumentarfilms in Deutschland.
Die Mondverschwörung hatte schon 2010 auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen Premiere. Dort gab es im Anschluß ein Publikumsgespräch und ich erinnere mich an die Reaktion einer Zuschauerin, die sinngemäß sagte: Ein wunderbarer Film, nur schade, daß so manche Koryphäen gar nicht zu Wort gekommen seien. Hat Sie das ein bißchen irritiert? Oder wie ist das allgemein, was erleben Sie für Reaktionen?
Der Film behandelt Themen, die zumindest teilweise – was diesen allgemein akzeptierten Bereich der Mondgläubigkeit angeht – sehr weit in die Gesellschaft hereinreichen. Da gibt es ja viele Leute, die den Mondkalender befolgen. Noch mehr gibt es, die sagen, bei Vollmond steigt die Zahl der Verkehrsunfälle, da werden die Menschen unruhig, die Verbrechensrate schnellt in die Höhe. Manche lassen sich auch nicht bei Vollmond operieren, weil sie Angst haben, daß die Wunden nicht richtig heilen. Das gibt es, das ist verbreitet und das ist auch konsensual. Und deshalb kommt es natürlich schon immer mal vor, daß bei Vorstellungen des Films Leute, die diesen Ideen nachhängen, sagen: »Also, am Schluß da kommen ja ziemlich krude Personen vor, mit denen hab ich nichts zu tun, aber…« Und das ›aber‹ bezieht sich eben auf diese allgemeine Mondgläubigkeit.
Wo haben Sie mit ihren Recherchen angefangen? Der Mond und die Nazis – waren das am Anfang zwei Punkte, die sie interessiert haben?
Nein, im Gegenteil. Es gibt ja einen Vorgängerfilm,
Deckname Dennis, in dem der gleiche Protagonist, der amerikanische Journalist Dennis Mascarenas, schon mal in Deutschland unterwegs war, um herauszufinden, wie die Deutschen 50 Jahre nach Kriegsende so drauf sind. Der Film ist 1995 entstanden und ist 1997 in den Kinos ausgewertet worden. Und bei
Deckname Dennis hab ich in der Tat schon Dinge anrecherchiert, die jetzt in dem neuen Film vorkommen, die aber damals keine Verwendung gefunden haben. Von daher kam diese Neuschwabenland-Idee als Rückzuggebiet des Faschismus. Es gibt ja diese Theorie, daß Hitler eben gar nicht Selbstmord begangen hat, sondern sich irgendwie dem allen entziehen konnte und nach Südamerika geflüchtet ist, oder – wie einige behaupten – eben in Richtung Südpol. Und dort wiederum muß er dann mit irgendwelchen Kräften in Kontakt stehen, die ihm helfen, das alles zu überstehen. Das sind in diesem Fall Außerirdische. In dieser Szene kursieren wilde Theorien davon, daß die Erde schon vor vielen 10.000 Jahren von Außerirdischen besiedelt wurde und daß sie auch heute noch von diesen Kräften gesteuert wird. Da gibt es, wie immer in schlechten Filmen, »Gute« und »Böse«, die kämpfen ständig und diese Verschwörungstheoretiker sehen sich oft diesem Kampf ausgesetzt, irgendwo zwischendrin, und versuchen da die Fronten zu bestimmen.
Wie haben Sie ihre Protagonisten gefunden, die diese Meinungen vertreten? Ich kann mir vorstellen, daß es so schwierig gar nicht ist, wenn man mal ins Internet guckt und ein wenig herumklickt…
Nein, nein, absolut nicht. Ich will das jetzt auch gar nicht alles auf eine Stufe stellen. Sie merken ja, im Film gibt es so eine Eskalation, d. h. es fängt wirklich harmlos an und es wird dann im Grunde genommen immer hanebüchener, jedes Mal kommt noch ein bißchen was dazu. Deshalb verlassen wir auch manchmal den Mond, der ja so ein Ordnungsprinzip ist und mäandrieren da drumherum und gehen auch mal in diesen Bereich ›Chemtrails‹, der wiederum verbunden ist mit Vorstellungen von bösen, dämonischen, satanischen Mächten, die die Erde beeinflussen und beherrschen und das Gute bekämpfen. Und alle Leute, die sich davon irgendwie bedroht fühlen sind auch sehr mitteilsam und veröffentlichen viel. Sie finden im Film kaum jemanden, der nicht schon Bücher darüber geschrieben hätte und gar niemanden, den man nicht auch im Internet finden könnte mit irgendwelchen Äußerungen dazu. Zum Teil veröffentlichen die das auch ungefragt, indem sie irgendwas in Gästebücher eintragen. Selbst dann, wenn man ihnen bescheinigt, daß sie unter Verfolgungswahn leiden. Das ist erst recht ein Ansporn für sie das Ganze dann ungestraft zu machen.
Das heißt, die Leute haben Sie mit offenen Armen empfangen? Da kommt dann sozusagen endlich der Reporter aus den USA und interessiert sich dafür, was wirklich läuft?
Ja. Sie müssen sich natürlich vorstellen, wenn man diese Ideen hat und man ist der Meinung, man müsse die Welt retten und dann findet man niemanden, der einem zuhört – das ist natürlich tragisch. Diese Leute sind ja alle beseelt von der Idee und das sagen sie ja auch manchmal: Das sei der Sinn solcher Sendungen wie dieser hier, die Bevölkerung muß aufgeklärt werden. Sie sind beseelt von der Idee, daß das, was sie herausgefunden haben, in die Öffentlichkeit gelangen muß und da kommen sie ja hier in Deutschland bei den Medien überhaupt nicht weiter. Selbst wenn Sie jetzt in der Kneipe jemanden treffen würden, der Ihnen solche Sachen erzählt, dann würden Sie sagen »Gut, ja, ich weiß, ich geb dir noch'n Bier aus aber laß mich bitte gehen«. Sie werden nicht richtig ernst genommen.
Im Film gibt es beispielsweise eine Szene, wo jemand ›Chemtrails‹, diese Versuche, uns chemisch ans Leder zu gehen, bei der Polizei anzeigt. Der war richtig dankbar, denn dadurch, daß das Fernsehteam dabei war, ist diese Anzeige auch ordnungsgemäß aufgenommen worden. Sie ist dann natürlich auch wieder eingestellt worden, weil sich nichts nachweisen ließ. Aber für Leute, die an diese Dinge glauben, ist das selbstverständlich, weil natürlich die deutschen Behörden und die Polizei mit den Verursachern unter einer Decke stecken. Deutschland ist ja nicht souverän, sondern von den USA beeinflußt, und wenn man jetzt weiß, daß hinter den USA jetzt wiederum die jüdische Weltverschwörung steht, dann wundert man sich als Verschwörungstheoretiker nicht mehr, daß diese Anzeige nicht aufgenommen wurde oder zu nichts führt…
Die Leute im Film öffnen sich gegenüber Dennis Mascarenas, er nickt und sagt »Ja« und ermutigt sie quasi. Die Leute denken, sie sprechen mit einem amerikanischen Sender, sie wissen glaube ich nicht, daß es eigentlich um einen deutschen Kino-Dokumentarfilm geht. Haben Sie den Protagonisten gegenüber mit offenen Karten gespielt?
Ja, Dennis ist ja Amerikaner und er ist auch der, der er ist. DDC-TV gibt es auch in Los Angeles. Allerdings ist es so, wenn sie heute eine Kamera vor das Gesicht gehalten bekommen und sie werden um ein Statement gebeten und sie lassen sich dann darauf ein, heißt das, sie willigen dann ein, daß in dem Augenblick wo sie was sagen, dieses Bild dann auch verwendet wird. Und im Grunde genommen ist es heute gar nicht mehr kontrollierbar, ob etwas, was man für die Medien gesagt hat, jetzt nur in einem ganz eng begrenzten Zusammenhang verwendet wird. Das widerspricht ja aller Lebenserfahrung, das gibt es eigentlich gar nicht und das wäre ja auch gar nicht finanzierbar.
Schon bei dem ersten Film den wir gemacht haben, habe ich gesagt: Also, das sind so tolle Aufnahmen, das wäre ja schade, wenn man die dem deutschen Publikum vorenthalten würde. Denn: Deutsche Journalisten kriegen so etwas ja gar nicht. Zum Teil wollen sie es vielleicht auch gar nicht haben. Aber Dennis, nicht nur weil er Amerikaner ist, erfährt Dinge, die man mit normalen journalistischen Methoden schwer rauskriegt, wenn man sich nicht wirklich Zeit nimmt, sich auf die Leute auch einzulassen. Er nimmt sie ernst. Und ich glaube, daß jeder Einzelne, der im Film vorkommt, sagen wird: Was ich so mitzuteilen habe, das ist richtig dargestellt – natürlich muß es gekürzt werden, aber es ist sinngemäß nichts entstellt worden, es ist mir auch nichts in den Mund gelegt worden, was ich nie gesagt habe. Es ist im Wesentlichen richtig.
Das heißt, Sie haben keine bösen Reaktionen im Nachhinein bekommen?
Also ich stehe gerade in Korrespondenz mit dem Schweizer Autor Armin Risi. Er ist eigentlich der Meinung, daß er schon sachlich wiedergegeben ist. Wobei natürlich der Gesamtzusammenhang eine etwas andere Note hereinbringt. Dadurch, daß es so komprimiert wird, kriegt es natürlich etwas Absurdes und das ist dann eben nicht mehr affirmativ. Andererseits ist es ja ein Credo der Esoterikszene, daß auf dieser feinstofflichen, nicht meßbaren, nicht sichtbaren Ebene alles mit allem verbunden ist. Das wird auch zweimal gesagt im Film. Einmal sagt es ein Herr, der schon mal auf Aldebaran, einem Planetensystem, 68 Lichtjahre von der Erde entfernt, war. Und einmal sagt es Dennis auch selbst als Grund- und Ordnungsprinzip seiner journalistischen Arbeit – alles hängt mit allem zusammen und man muß versuchen, da als Journalist eine Ordnung einzubringen. Und auf dieser Ebene hängt dann eben auch alles zusammen und es ist in der Tat so, wenn man sich diese Ideen einmal anguckt, z.B. Chemtrails, dann finden sie von Leuten, die einfach nur ihre gesundheitliche Beeinträchtigung beklagen bis zu Leuten, die sagen, hier wird ein systematisches Programm gefahren um uns auszurotten, alle Schattierungen von Interpretationsmöglichkeiten. Und so ist es eben, daß in einem Bereich, der nicht definiert und nicht wissenschaftlich überprüfbar ist, bestimmte Ursachen, bestimmte Erscheinungsformen ganz unterschiedliche Interpretationen erfahren können. Und auf dieser Ebene - und das verstehen übrigens auch Esoteriker, daß das so ist, diese Gleichzeitigkeit – auf dieser Ebene glaube ich ist auch der Film nicht angreifbar.
Wie viel Material haben Sie gedreht? Sie haben ja auf 16mm Film gedreht.
Unendlich viel Material, könnte man fast sagen. Und der Abspann verrät ja, daß wir mindestens genauso viele Leute noch mal für Reportagen besucht haben, die jetzt nicht im Film vorkommen.
Das sind aber Leute, die aus Platzgründen aus dem Film geflogen sind und nicht, weil sie nicht drin sein wollten?
Nein, nein. Weil sich vieles natürlich doppelt und weil man da eine Auswahl treffen muß. Also ich denke, der Film ist 85 Minuten lang – ich hab selten geschafft einen Film so kurz zu machen – aber wenn das jetzt länger wäre, würden die Leute schreiend raus laufen, weil das ist ja schwer zu ertragen, gerade am Schluß, wenn es dann wirklich knüppeldick kommt. Das ist dann wirklich auch die Zumutbarkeitsgrenze. In dieser Zeit läßt sich aber trotzdem ein recht umfassender Bogen über den ganzen Bereich schlagen, wobei natürlich der Mond als Projektionsfläche nur ein Ordnungsprinzip ist. Wir kommen ja immer mal wieder dahin zurück und wenn man sich diesem Bereich noch intensiver zuwenden wollte, man würde überhaupt nicht mehr fertig. Es gibt so Vieles und auch deshalb, weil es ja im diesem ganzen Bereich der Esoterik Niemanden gibt der sagt wo es lang geht. Es gibt keinen Katechismus, es gibt keinen Papst, der da irgendwas verkündet, sondern jeder greift sich aus diesen Gedankengebäuden irgendwas heraus und mischt das mit anderen Dingen und dann kommen irgendwie dauernd neue Konstellationen heraus. Es kann natürlich passieren, daß man dann, wenn man sich irgendwann für sich selbst entschieden hat, jetzt die Ebene des Rationalen, des Sichtbaren, die Ebene der Vernunft zu verlassen, daß man da auch die Orientierung verliert und da gar nicht mehr heraus findet und am Schluß eben in Neuschwabenland ankommt.
Haben sie es sich mit Die Mondverschwörung, neben dem medienpolitschen Engagement als Vorsitzender und Geschäftsführer des Dokumentarfilmverbandes (AG Dok) jetzt noch mal selbst gegönnt einen Film zu machen?
Ja, also ich habe ja als Praktiker angefangen und unser Verband, der Berufsverband der Dokumentarfilmer, der ist eigentlich so aufgebaut, daß wir gesagt haben, wir möchten, daß der Verband vertreten wird von Leuten, die auch wissen, wovon sie reden. Und das ist auch ganz wichtig, daß man diese Erfahrungen auch wirklich praktisch sammelt. Eine unschätzbare Erfahrung für jemanden, der nun auch von der Produktion kommt, ist es natürlich auch durch die Kinos zu reisen und einfach mal zu gucken, wie denn die Kinolandschaft jetzt so strukturiert ist. Wie sie sich verändert hat seit der Zeit, als ich mit
Deckname Dennis vor mehr als zehn Jahren unterwegs war. Was man heute anders machen muß, was neu dazu gekommen ist, was schwieriger geworden ist.
Und wie ist die Tendenz? Ist es eher schwieriger geworden?
Auf jeden Fall ist es schwieriger geworden. Vor allen Dingen: Man ist ja nicht mehr konkurrenzlos. Ende der 1990er Jahre war das wirklich in vielen Orten noch etwas Außergewöhnliches, daß ein Regisseur, ein Filmemacher, ein Produzent persönlich ins Kino kam. Inzwischen gehört das ja fast zum Verwertungskonzept dazu, das ist nichts besonderes mehr. Man kriegt weniger Aufmerksamkeit, weil auch die Presselandschaft sich verändert hat. Dann kommt noch hinzu, daß auch die Zahl der Neustarts, die jede Woche rauskommen, sich potenziert hat, also sich verdoppelt hat, wenn nicht noch mehr. Es sind inzwischen bis zu 15 Filme oder noch mehr, die jede Woche starten. Und da Aufmerksamkeit zu erlangen, daß ist schon wirklich eine sehr schwierige Geschichte, gerade dann, wenn man ein relativ bescheidenes Budget hat. Und dann gehört es einfach auch mit dazu, daß man sich selbst mit in die Waagschale wirft.
Wie stehen Sie eigentlich zu dem Phänomen der ›Scripted Reality‹, die ja jetzt auch schleichend Einzug in die öffentlich-rechtlichen TV-Programme erhält?
Ich finde, das ist ein unnötiger Blödsinn, einfach auch deshalb, weil die Realität auch gar nicht geschrieben werden muß. Die kuriosesten Dinge, die man sich gar nicht ausdenken kann, die schreibt ja das Leben. Die Privatsender haben damit angefangen. Der Norddeutsche Rundfunk hat im öffentlich-rechtlichen Bereich damit angefangen, das mal auszuloten und setzt es jetzt offenbar auch um. Das ist hauptsächlich eine Kostenfrage. Es ist natürlich ein bißchen aufwendig, zu warten, bis das passiert, was man für den Film braucht und da kann man der Wirklichkeit anscheinend billiger ein wenig nachhelfen. Im Grund genommen ist es aber müßig, dem jetzt ein »Nein« entgegenzusetzen, weil da hält sich sowieso keiner dran, das wird gemacht. Was wichtig ist natürlich, daß man das kenntlich macht und den Leuten nicht ein X für ein U verkauft oder sagt: hier zeigen wir euch was Dokumentarisches, was es gar nicht ist.
Was ich alarmierend finde, ist z. B. die Tatsache, daß ein Film wie Vodka Factory, der beim Dokumentarfilmfest 2010 in Leipzig lief und streckenweise sehr inszeniert ist und nach dem Schema der Scripted Reality funktioniert, die Goldene Taube für den besten Dokumentarfilm gewonnen hat.
Na ja, ich bin ja nun kein Purist. Ich habe ja in
Die Mondverschwörung auch versucht, die realen Interviews in so eine – wenn man das so nennen kann – Geschichte einzubetten.
Das ist in Ihrem Film aber eindeutig, Sie machen dem Zuschauer da nichts vor.
Das würde ich auch sagen, ja. Ich denke, man muß einfach den Menschen die Möglichkeit geben, das zu erkennen. Im Grunde genommen ist das eine Herausforderung an die Leute, die Medienkompetenz vermitteln.
Man müßte eigentlich Unterricht geben. Man müßte sagen: Hey Leute, wenn jemand für einen Überraschungsbesuch vor der Tür steht und mit dem nächsten Schnitt ist die Kamera beim Öffnen der Tür schon im Zimmer – dann stimmt was nicht.
Ich mache ja gelegentlich Seminare und ich habe mal ein Seminar für Pädagogen gemacht und einen Ausschnitt aus dem Film
Borat genommen. Da gibt es eine Szene, wo der sich einen Gebrauchtwagen kauft und fragt, ob man damit Zigeuner überfahren kann. Und dann kriegt er irgendwie so eine Antwort, daß das ohne weiteres möglich sei. Die Medienpädagogen, die sich das angeguckt haben, haben nicht gemerkt, daß zwischen der Frage und der Antwort geschnitten war, daß also die Antwort gar nicht die Antwort auf die vorangegangene Frage gewesen ist, sonst hätte man nämlich nicht zu schneiden brauchen. Und solche Dinge muß man einfach erkennen, dann weiß man auch, ob man betrogen wird oder nicht.
Im Grunde genommen, wenn die Sender sich diesem Zeug zuwenden, dann ist das hauptsächlich die Kostenfrage. Diese Dinge kann man anscheinend sensationell billig produzieren, so ähnlich wie Daily Soaps. Richtiges dokumentarisches Arbeiten, das auch ergebnisoffen ist, braucht halt immer einen größeren Aufwand. An meinem Film sieht man ja: Man braucht eigentlich eine Fülle von Material, um bestimmte Ergebnisse pointiert herausarbeiten zu können. Und wenn man diese Geduld und das notwendige Geld nicht hat, dann denkt man sich die Wirklichkeit irgendwie zurecht. Es gab vor einigen Jahren mal ein Strafverfahren gegen einen »Kollegen«, Michael Born, einen Filmemacher, der Magazinbeiträge geliefert hat. Der hatte angefangen, Reportagen zu fälschen. Z. B. eine über den Ku-Klux-Klan in der Eifel. Irgendwelche Privatsender haben das dann auch gesendet und für bare Münze genommen. Der hat noch mehr gemacht in der Richtung und ist in der Tat verurteilt worden. Aber ich habe damals in einem Dokumentarfilmmagazin einen Kommentar dazu geschrieben und gesagt: Also erstens mal, der arme Kerl, der könnte doch wissen, daß die Wirklichkeit eigentlich viel kurioser und grotesker ist, als alles, was man erfinden kann. Man muß doch gar nichts erfinden, man muß nur hingucken. Und so ist
Die Mondverschwörung ja auch eine ethnografische Reise ins eigene Land. Da passieren Dinge in unserer unmittelbaren Nachbarschaft von denen wir keine Ahnung haben. Wir wissen gar nicht, was in den Köpfen von anderen Leuten vorgeht, in welcher Parallelwelt die leben, die für die genauso real ist, wie unsere Welt für uns. Das ist das eine, und das andere ist dann wirklich die Frage: Wenn man jeden, der in den Medien etwas fälscht, gleich einsperren wollte, dann würden wahrscheinlich die Haftanstalten gar nicht ausreichen. Das passiert ja jeden Tag, das passiert alleine durch Weglassen. Was in den Nachrichten alles weggelassen wird an Informationen, das ist kolossal.
2011-06-17 15:36