Raffinierte Agentenfilmpersiflage mit einem grandiosen Walter Matthau
Von Frank Brenner
Walter Matthau als Geheimagent während des Ost-West-Konflikts im geteilten Deutschland? Das klingt zunächst wenig glaubwürdig. Gut, Agentenpoker ist eine Parodie auf die grellen Superheldenfilme der 60er und 70er Jahre, von denen uns die Abenteuer James Bonds wohl noch am besten in Erinnerung sind. So betrachtet scheint Knubbelnase Matthau gar nicht so fehl am Platz, schließlich soll es ja witzig zugehen. Aber schon nach wenigen Minuten wird der Zuschauer eines besseren belehrt und hat die Anfangsszenen auf dem Oktoberfest in München längst vergessen. Dieser Film ist nämlich nicht nur witzig, sondern auch ganz schön spannend inszeniert, und bald kommt einem Walter Matthau als Superagent gar nicht mehr so unglaubwürdig vor.
»Hopscotch« ist ein beliebtes Kinderspiel, bei dem man ein Muster auf den Boden zeichnet, einen Stein in eines der Felder wirft und ihn dann springend nach einem bestimmten Schema erreichen muß. »Himmel und Hölle« heißt es in Deutschland. Matthau spielt einen CIA-Agenten, der von seinem Vorgesetzten abserviert werden soll und daraufhin sein gesamtes Geheimwissen häppchenweise niederschreibt und an alle großen Geheimdienstzentralen der Welt verschickt. Kein Wunder, daß der CIA sauer reagiert. Fortan liefert er sich mit seinen Verfolgern eine »Hopscotch«-ähnliche Hatz, bei der immer schon recht schnell klar ist, wo er sich als nächstes aufhalten wird, bei der es aber darauf ankommt, sich keinen Fehltritt zu leisten.
Ronald Neame, der als Kameraassistent bei Alfred Hitchcock begann und selbst Filmklassiker wie The Man Who Never Was und The Poseidon Adventure gedreht hat, versteht es hier, die spannenden Handlungselemente gekonnt auszuspielen und dennoch den Humor nicht zu kurz kommen zu lassen. Brian Garfields Romanvorlage wurde Mitte der 70er Jahre mit dem Edgar Award als bester Kriminalroman ausgezeichnet. Zusammen mit dem ebenfalls kriminalversierten Drehbuchautor und Regisseur Bryan Forbes hat er seine Vorlage fürs Kino adaptiert. In diesem raffiniert ausgeklügelten Plot ist denn auch genug Platz für den parodistischen Einsatz von Bond-typischen Geheimwaffen gegen die Verfolger und eine atemberaubende Hetzjagd durch die Lüfte zu Hermann Preys Interpretation von Puccinis »Non pui andrai«. John Stears, Supervisor der Spezialeffekte unter anderem bei Thunderball und Goldfinger, zeichnete auch für diesen Film verantwortlich.
Daß der Film solchen Spaß macht, ist aber nicht zuletzt das Verdienst Walter Matthaus, dessen sichtliches Vergnügen beim Drehen sich direkt auf den Zuschauer überträgt. An der Seite der bärbeißigen und mit Dobermann extrem gefährlich wirkenden Glenda Jackson, mit der Matthau auch schon in Hausbesuche ein Paar bildete, kann der Vollblutkomiker seinen kratzbürstigen Charme ganz ausspielen – und sich der Sympathien des Publikums sicher sein.
1970-01-01 01:00