A History of Violence
Von Nils Bothmann
Mit zwei Frühwerken stieg John Carpenter zum gefeierten Nachwuchsregisseur auf: Dem Horrorklassiker Halloween – Die Nacht des Grauens und diesem Stadtwestern, einer filmischen Verbeugung vor Carpenters großem Vorbild Howard Hawks. Noch mit absoluten Low Budget-Mitteln hergestellt, ist Assault – Anschlag bei Nacht gleich zweierlei: Spannender Belagerungsthriller und urbane Gewaltstudie in einem.
Mit gewalttätigen Ausschreitungen wie den Rassenunruhen von 1967 im Hinterkopf zeigt Assault ein Amerika, dessen Friede ein äußerst instabiler ist – Begebenheiten wie der Rodney-King-Vorfall sollten Carpenters düstere Vision noch Jahre später als prophetisch bestätigen. Der Regisseur und Drehbuchautor nimmt sich hier dem in den 1970ern äußerst populären Phänomen der Straßengangs an (vgl. Die Warriors oder The Wanderers), die in einer Art Bürgerkrieg mit der Autorität liegen. Doch beide Parteien nehmen sich nichts in ihrer Skrupellosigkeit: Bereits zu Beginn des Films stellen Polizisten Gangmitgliedern eine Falle und exekutieren die jugendlichen Straftäter regelrecht. Es folgt eine Spirale der Eskalation, die kaum aufzuhalten ist. Als Vergeltungsaktion töten die Gangmitglieder einen Eisverkäufer und dessen minderjährige Kundin – eine Szene, die damals wie heute schockiert. Es kommt zum Vergeltungsakt durch den Vater des Mädchens, denn Gewalt ist nicht auf Behörden und Verbrecher beschränkt, wie Carpenter hier zum Ausdruck bringt. Der flüchtende Vater findet Zuflucht im Polizeirevier 13, das daraufhin von der Gang belagert wird.
Daß Carpenter diese Exposition so ausspielt, hat einen Grund: Gewalt erzeugt Gegengewalt, und auch Gewaltverzicht bietet keinen Ausweg – auch die im Polizeirevier Eingeschlossenen müssen um ihr Leben kämpfen. Passend zum Zynismus des Films müssen die Polizisten zähneknirschend auch die Gefangenen mitkämpfen lassen, wobei sich ironischerweise der Straftäter Napoleon Wilson als einer der fähigsten Verteidiger erweist – ein weiterer Riß im klaren Bild von Recht und Ordnung, das Carpenter hier so genüßlich demontiert.
Die Belagerung selbst ist eine moderne Variante von Howard Hawks’ Rio Bravo, auch was die Figurenkonstruktion angeht: Heldin Leigh wird in der Literatur gern als »Hawksian heroine« beschrieben. Doch neben Westernmotiven rekurriert Assault auch auf den von Carpenter geschätzten Horrorfilm: Die gesichtslosen Angreifer der Gang stürzen sich rücksichtslos auf das Polizeirevier wie die Untoten in Night of the Living Dead oder die Vögel in Hitchcocks gleichnamigem Film. Am Ende von Assault stehen dann – allem Zynismus zum Trotz – ein Happy End und ein Sonnenaufgang. Doch in diesen fortreiten kann keiner der Helden dieses Großstadtwesterns, da die Arbeit am Krisenherd der urbanen Gewalt nicht getan ist, gar nicht getan sein kann.
2008-04-21 15:48