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Alices Restaurant

Alice's Restaurant. USA 1969. R,B: Arthur Penn. K: Michael Nebbia. S: Dede Allen. M,D: Arlo Guthrie. P: Florin. D: Pat Quinn, James Broderick, Pete Seeger, Michael McClanathan, Tina Chen, Kathleen Dabney u.a.
110 Min. Atlas ab 19.2.70

Unbeholfene Unschuld

Von Kristina Schilke Kein Grund zur Beunruhigung. Heute im Jahre 2008 werden immer noch gute Filme gemacht, in den Programmkinos finden sich immer noch Perlen. Also kein Grund zur Beunruhigung. Aber gibt es einen Grund zur Nostalgie? Das auf alle grasdurchtränkten, poncho-durchweichten Fälle! Denn das Ende der 1960er Jahre und größtenteils die 1970er Jahre standen in den USA unter dem Zeichen New Hollywoods. Nicht mehr die Studios, nicht mehr Produzenten hinter Schreibtischen bestimmten die Filmszene und ihre Richtung, sondern die jungen Rebellen, die Regisseure, nahmen die Drehbücher in die Hand und filmten ihr Zeitalter ab. Und das haben sie in dieser Dekade so gut gemacht wie in keiner anderen, davor oder danach. Allein das Jahr 1969 bringt unter anderem folgende ewig währende, grundehrliche Klassiker hervor: John Schlesingers Asphalt Cowboy, George Roy Hills Butch Cassidy and the Sundance Kid, Dennis Hoppers Easy Rider, Sydney Pollacks Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss und auch den kleinen, heimeligen Film Alices’s Restaurant von Arthur Penn.

Dieser Film ist auf allen Ebenen ein Werk seiner Zeit: Vom Hauptdarsteller, dem Folk-Sänger Arlo Guthrie, auf dessen Sprechsong Alice’s Restaurant Massacre der Plot basiert, und der Handlung – das Zurechtkommen eines jungen Unangepassten in der militärischen und gesellschaftlichen Mittelmäßigkeit Amerikas und der unkonventionelle, suchende Lebensstil seiner Hippie-Freunde – bis über den Regisseur Arthur Penn, der mit Filmen wie Bonnie & Clyde und Little Big Man ein talentiertes Kind aus dem Hause New Hollywood war.

Doch damit finden die Zeichen der Zeit immer noch kein Ende, sie gehen viel tiefer: Arlo Guthries Vater, die amerikanische Folk-Legende Woody Guthrie (1912 – 1967), wurde auf die intimste Art und Weise porträtiert. Der Sohn, Arlo Guthrie, besucht auf seiner Reise weg vom Einberufungsbescheid nach Vietnam seinen Vater Woodie Guthrie (im Film gespielt von Joseph Roley) im Krankenhaus, vor dem Tode. Denn Woody Guthrie litt ab seinem 42sten Lebensjahr an der vererbbaren Nervenkrankheit Chorea Huntington, an der er 1967 starb. Pikanterweise könnte diese Krankheit auch Arlo Guthrie irgendwann das Leben und seine Musikerkarriere kosten. Doch der fürchtet sich nicht davor Wunden aufzureißen. So entlarvt er auch die Idee der freien Liebe als ein zerstörerisches Faktum, das Menschen und Beziehungen zerbricht, statt dem einzelnen das Glück in der persönlichen, totalen Freiheit zu geben.

Roger Ebert, einer der einflussreichsten Filmkritiker der USA, schrieb damals, am 11. November 1969, folgende Zeilen über Alice’s Restaurant: »Arthur Penn’s Alice’s Restaurant is good work in a minor key. It isn’t a great film, but you never get the feeling that it wanted to be. You sense that Penn achieved what he set out to do: to make a relaxed, unstudied portrait of some friends, and some months in their lives, and some births, deaths and marriages.« Klingt nach einer vernünftigen Zusammenfassung und gewissermaßen hat Ebert auch recht: Alice’s Restaurant hat keine ausgeklügelten Schnitttechniken, die Dialoge wirken manchmal, wie so einiger Schauspieler, hölzern und der Plot bietet keine großen Überraschungen. Doch Alice’s Restaurant besitzt dafür etwas anderes, was auch seine Altersgenossen wie Easy Rider ausmacht: Unschuld. Diese unbeholfene Unschuld spiegelt sich darin, dass hier mit natürlichen Szenen, ohne perfektionistische Anstrengungen versucht wurde eine Lebenseinstellung auf die Leinwand zu bringen, an die jeder, vom Regisseur bis zu den Darstellern, tatsächlich geglaubt hat. Und diese Art von unbeholfener Unschuld lässt sich durch nichts anderes ersetzen, was man heutzutage leider an manchen Filmen schmerzlich versteht. 2008-10-06 16:12

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