Tarnen und täuschen, schießen und sprengen
Von Nils Bothmann
Die Konstituierung eines Filmgenres ist kein Prozeß, der im luftleeren Raum geschieht: Erst nachdem es eine gewisse Anzahl von Filmen mit gewissen gemeinsamen Eigenschaften gibt, kann man dies als Genre bezeichnen. Ausnahmen dürften vielleicht von der Literatur oder dem Theater übernommene Kategorien sein, aber in diesem Falle wurde die entsprechende Konstituierung bereits in einem anderen Medium vorgenommen. Die Geburt des Actionfilms als Genre wird von der Filmwissenschaft wahlweise in den 1970er oder den 1980er Jahren verortet – je nachdem, ob man Werke wie
Dirty Harry und
Death Wish als erste Genrefilme wertet oder das Genre vorbereitende Werke, die man noch dem Polizeifilm bzw. dem Thriller zuordnen kann. Ganz klaren Pionierstatus besitzt
Agenten sterben einsam, quasi ein Actionfilm aus einer Zeit, als es noch keine Actionfilme gab, geschrieben von dem schottischen Schriftsteller Alistair MacLean, der seinen Roman und das Drehbuch zu
Where Eagles Dare, wie der Film im Original heißt, parallel schrieb.
Wie schon in der erfolgreichen MacLean-Adaption
Die Kanonen von Navarone von 1961 geht es um eine Gruppe von Spezialisten, die während des Zweiten Weltkriegs eine gefährliche Mission zu erfüllen haben. In diesem Falle soll das Team einen gekidnappten General der Alliierten aus der Burg Adler in den Alpen befreien. Doch der Plot von
Agenten sterben einsam ist wesentlich komplexer als der von
Die Kanonen von Navarone, immer wieder lassen Doppelagenten und geheime Ziele das Geschehen in neuem Licht erscheinen, weshalb der mürrische Lieutenant Morris Shaffer, von niemand anderem als Clint Eastwood gespielt, bald zur Identifikationsfigur für den Zuschauer wird, da er als einzige verläßliche Konstante in dem Spiel stets als klar gezeichneter Held erscheint und von den Ereignissen um ihn herum ähnlich irritiert ist wie der Zuschauer.
Während Eastwood mit der Weltkriegsvariante seiner Rolle aus Sergio Leones Dollar-Trilogie seinen Starstatus weiter zementierte, erscheint der in den Credits als erster genannte Richard Burton wesentlich weniger vertrauenswürdig: Er steht für Desinformation und Täuschung, sein Heldenstatus ist wesentlich unsicherer, er ist gleichzeitig Gegenpart und Ergänzung zu Eastwoods gradlinig denkendem und handelndem Shaffer. Und besagtes Handeln ist es dann auch, was das phänomenale Finale des Films auszeichnet, das seiner Zeit absolut voraus ist: Ein Gefecht zwischen aufrechten Alliierten in formschöner Unterzahl und Horden böser Nazischergen, eine Materialschlacht sondergleichen, von der sich mancher aktueller Actionfilm noch eine Scheibe abschneiden kann, in dem Shaffer so viele Feinde über den Jordan schickt wie keine andere Eastwood-Figur davor oder danach.
Daß die Bösewichte dabei häufig nur als Kanonenfutter herhalten müssen, daß ein strohblonder SS-Mann das Geschehen bevölkert, daß das idyllische Städtchen am Fuße der Burg Adler passagenweise auch einem Heimatfilm entsprungen sein könnte – diese gelegentlich vorkommenden Klischees trüben den Filmspaß überhaupt nicht, im Gegenteil: Sie weisen nur darauf hin, daß
Agenten sterben einsam in seiner Essenz ein reiner Genrefilm ist. Weshalb der Hollywoodunterhaltungsfilm immer wieder gerne auf den Nazideutschen als eindeutig böse konnotierten Fiesling zurückgreift, von
Casablanca über
Jäger des verlorenen Schatzes bis hin zu aktuellen Beispielen wie
Hellboy oder
Inglourious Basterds.
Regisseur Brian G. Hutton drehte in seiner Laufbahn nur wenige Filme, darunter den thematisch ähnlichen, aber komödiantischen
Stoßtrupp Gold (ebenfalls mit Clint Eastwood), keine weitere MacLean-Verfilmung erreichte wieder dieses Niveau, doch
Agenten sterben einsam ist ein hochspannendes kleines Meisterwerk des Actionfilms – zu einer Zeit, als es das Actiongenre an sich noch nicht gab.
2010-08-16 14:36