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Asphalt-Dschungel

The Asphalt Jungle. USA 1950. R,B: John Huston. B: Ben Maddow. K: Harold Rosson. S: George Boemler. M: Miklós Rózsa. P: MGM, Loew's. D: Sterling Hayden, Louis Calhern, Jean Hagen, James Whitmore, Sam Jaffe, John McIntire, Marilyn Monroe, Brad Dexter u.a.
112 Min.

Night and the City

Von Martin Holtz In Out of the Past (1947), einem Schlüsselfilm der Noir-Ära im Nachkriegs-Hollywood, antwortet Robert Mitchum auf die Frage »Is there any way to win?« mit einem lakonischen »Well, there’s a way to lose more slowly«. John Hustons Asphalt-Dschungel übernimmt den grimmigen Fatalismus des Vorgängers und zeigt eine Welt, in der diejenigen, die gewinnen wollen, am schnellsten verlieren.

Ein Gewinn, das wäre schon die Flucht aus dem titelgebenden urbanen Dschungel, in dem ständig Nacht zu herrschen scheint. Selten hat ein Film so nachdrücklich die symbolischen Implikationen einer deterministischen Umgebung dargestellt. Schon die erste Einstellung zeigt eine unwirtliche Pflastersteinwüste im Dämmerlicht, hinter der sich die Großstadtsilhouette abzeichnet. Im weiteren Verlauf der Handlung inszeniert Huston die Figuren in düsteren, beengten Räumen und Seitenstraßen. Die mit hoher Tiefenschärfe und Weitwinkelobjektiven gefilmten Bildkompositionen suggerieren ganz plastisch die eingeschränkten Möglichkeiten des Individuums, sich zu entfalten. In vielen Nahaufnahmen nimmt die Kamera den Charakteren Raum zum Atmen, sie wirken an den Rand gedrängt, ohne Bewegungsfreiheit.

In dieser lebensfeindlichen Welt findet sich eine Gruppe von Kriminellen zusammen, die mit einem minutiös geplanten Bankeinbruch den Ausbruch aus ihren trostlosen Existenzen verwirklichen wollen. Die professionellen Verbrecher scheinen ohnehin die Einzigen zu sein, die noch so etwas wie Ideale haben. Hooligan Dix will zurück auf die Pferdefarm seiner Jugend, Mastermind Doc Riedenschneider träumt von der mexikanischen Sonne und jungen Mädchen, Safeknacker Louis will nur für seine Familie sorgen, und Fahrer Gus hat genug von seinem schäbigen Diner. In dem grandiosen Schauspielensemble schafft es jeder Einzelne, seine Rolle so facettenreich zu porträtieren, daß jede noch so fragwürdige Eigenschaft, sei es Gier, Feigheit, Aggressivität, Dummheit, Opportunismus oder sogar sexuelle Perversion, immer durch eine nachvollziehbare Erklärung oder eine aufrichtige Persönlichkeit abgefedert wird.

Anstatt die kriminellen Energien zu verurteilen, empfinden der Film Sympathie für die Menschlichkeit, die die Gesetzesbrecher an den Tag legen, für ihren Unwillen, sich mit der tristen Realität abzufinden, und nicht zuletzt für ihre geschmeidige Zusammenarbeit in der grandios gefilmten und montierten Einbruchsequenz, die mit dem Heist Movie ein ganzes Genre hervorgebracht hat. »Crime is just a left-handed form of human endeavor« , sagt einer der Antihelden, und wer will ihm widersprechen? Naja, die Polizei zum Beispiel, die hier, ganz anders als in den meisten Krimis der Zeit, als intolerante Hardliner porträtiert werden, denen der medienwirksame Erfolg in der Bekämpfung der Symptome von Kriminalität wichtiger ist als alles andere. Mit ihrer fehlenden Empathiefähigkeit sind die Repräsentanten von Recht und Gesetz sogar indirekte Ursachen für den darwinistischen Überlebenskampf in der Großstadt.

Die tragische Ironie des Films aber ist, daß sich die idealistischen Ziele der Kriminellen als Ursachen für ihren Untergang erweisen. In einer Umgebung, die eine unbedingte Anpassung an eine mechanisch kalte, funktionsorientierte Gesellschaft fordert, haben jegliche menschliche Regungen verheerende Folgen. Am Ende wird nur einer der Stadt entfliehen können – gewinnen aber wird niemand. 2011-06-02 17:36

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